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Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Titel: Shane - Das erste Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia von Rein-Hrubesch
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„Was sind das für Blumen?“, hatte er gefragt und mit seinem knochigen Finger in eine Richtung gedeutet. Sie, Hedwig hatte die Augen zusammengekniffen, sich etwas nach vorn gebeugt und war mit dem Blick seinem Finger gefolgt. „Das sind Ranunkeln.“
    Kurt hatte sich zurückgelehnt. „Nun, sie sind wahrlich entzückend!“ Hedwig hatte ihren lieben guten Mann angeblickt.
    In jenem Herbst hatte sie beschlossen, nichts Neues mehr zu pflanzen, nur noch Ranunkeln sollten es sein, in allen erdenklichen Farben. Gleich im darauffolgenden Frühjahr wollte sie welche kaufen und setzen. Doch die Ranunkeln waren ihr zuvorgekommen.
    Obwohl Hedwig in der Gärtnerei gesagt worden war, dass die Pflanzen nicht winterfest waren, waren diese wundervollen Blumen bereits im Frühjahr überall aus der Erde gekrochen, im Sommer blühten sie in ihrer unverwechselbaren einfachen Schönheit, bis in den späten Herbst hinein leuchteten sie, und im Jahr darauf  hatten sie sich bereits durch den halben Garten ausgebreitet.
    Hedwig hatte jedes Jahr in ihrem Garten gestanden und sich verwundert umgeblickt, und ihr lieber guter Kurt lächelte über die Ranunkeln hinweg, sooft sie draußen saßen und ihren Kaffee tranken.
    Die alte Frau seufzte wieder. Eine kleine Träne bahnte sich durch ihr zerfurchtes weiches Gesicht. Hedwig wusste, dass sie die Ranunkeln nicht mehr wiedersehen würde. Sie war eine Närrin, wenn sie dachte, dass sie würde den nächsten Frühling noch erleben würde.
     
    Shane trottete nach Hause. Die Kälte war wie ein Schock wenn man ins Freie trat, doch sie hatte es nicht eilig, sie dachte nach. Sie hatte Angst.
    Hedwig setzte sich an ihren kleinen Küchentisch. Sie war keine Närrin. Sie wusste, es hatte seinen Sinn, dass sie so lange durchgehalten hatte.
    So lange, ohne ihren lieben guten Kurt. Sie schaute aus dem Fenster auf die nächste Häuserwand. Sie wäre ihrem Kurt von Herzen gern gefolgt, doch sie hatte noch eine Aufgabe.
     
    Shane stand vor dem Badezimmerspiegel. Sie schluckte und schaute in ein ängstliches Gesicht. Schließlich atmete sie tief durch und blickte in ein paar grüne Augen. „Ich werde mich nicht mit dir verbünden!“
    Ihre Stimme zitterte. Sie schluckte wieder. „Ich werde mich nicht mit dir verbünden!“, sagte sie lauter. „Ich werde mich weder mit dir verbünden, noch werde ich dich herauslassen! Ich werde dir keine Chance geben, hast du das verstanden!“ Ein paar grüne Augen schauten sie an. Nichts. Es passierte gar nichts.
     
    Gegen Abend machte sich die alte Frau auf den Weg. Es würde nicht mehr lange dauern. Oh, mein geliebter Kurt! Mein lieber, guter Kurt!
     
    Shane saß über dem Mandala. Ihr Blick folgte dem Stift, doch ihre Gedanken wirbelten umher. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie hatte sich entschieden, auch wenn sie Angst davor hatte. Shane lächelte. Sie hatte sich entschieden. Und es ging ihr besser.
    Der Polizeiinspektor zog sich die Mütze tief ins Gesicht. Es war natürlich Unsinn, doch es kam ihm vor, als wäre es in der Stadt noch kälter als außerhalb. Er zündete sich eine Zigarette an, er hatte nie geraucht, doch seit diesem Winter tat er es.
    Er rauchte nicht viel, und nach Dienstschluss putzte er sich die Zähne und kaute Kaugummi, doch er war sich sicher, dass seine Frau es merkte, aber sie sagte nichts, sie schien es zu billigen.
    Er nahm einen tiefen Zug und schloss die Augen.
    Eine Zigarette war sein Kurztrip aus diesem ganzen Chaos hier, diesem Irrenhaus, dieser ganzen verrückten Stadt. Er schüttelte leicht den Kopf. Er liebte die Stadt, er kam nicht von ihr los, er musste einen klaren Kopf behalten und seinen Job tun.
    Er atmete den Rauch aus, der sich mit seinem Atem mischte.
    Die Bürger liebten ihn. Er wusste das, und er war ihnen etwas schuldig. Er war es ihnen schuldig, sich um ihre Stadt zu kümmern. Er war stets offen zu den Bürgern gewesen, hatte fast alles mit ihnen geteilt, sein ganzes Leben, er hatte kaum Geheimnisse vor ihnen und sie auch nicht vor ihm. Doch dieses ganze Gewäsch von den Alten konnte er einfach nicht mehr hören. Er wollte es nicht mehr hören.
    Polizeiinspektor Thorsten nahm wieder einen tiefen Zug.
    Mit Waller sah das schon anders aus. Er genoss nicht so viel Ansehen, er hatte nicht diesen Sympathievorteil; viele, und besonders die Alten misstrauten ihm. Doch seit seinen persönlichen Problemen, seit dem Vorfall, war er ein Stück näher an die Bürger gerückt, und sie an ihn.
    Jeder wusste, was passiert

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