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Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Titel: Shane - Das erste Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia von Rein-Hrubesch
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war, dass Wallers Tochter sich hatte schwängern lassen von einem Rowdy, doch keiner sprach darüber, sie beobachteten ihn und warteten, wie er damit umgehen würde. Wie die Tiere, dachte Thorsten.
    Er hatte ihn ebenfalls beobachtet, er war dabei gewesen, als der Oberbürgermeister ans Pult getreten war und die Bürger, seine Bürger, im Kampf um die Stadt, ihre Stadt, nicht allein zu lassen versprach. Waller war schwach gewesen, er sah müde und mitgenommen aus, es war nicht gespielt, er sprach über Schutzmaßnahmen in den inneren Kreisen, seine Stimme hatte etwas gezittert, und die Bürger hörten ihm zu und sahen ihn an. Er hatte sich Respekt verdient.
    Thorsten schüttelte wieder den Kopf. Wie absurd. Er hatte sich Respekt verdient, indem er Schwäche zeigte. Der Inspektor selbst sah das natürlich mit anderen Augen. Waller schien stark, weil er schwach war. Doch Schwäche hat einen entscheidenden Nachteil: Sie macht einen angreifbar.
    Thorsten warf den Stängel zu Boden und trat ihn aus. Mit der Hilfe Wallers durfte er nicht rechnen. Er musste es alleine tun.
     
    Shane biss sich auf die Lippen. Sie hatte keine andere Wahl. Sie hatte sich entschieden, und jetzt musste sie die Konsequenzen tragen.
    Sie hatte sich gegen die Joghurtbecher entschieden, auch Plastik kann sehr scharf sein. Shane legte die Kugeln in die Astgabel. Sie hatte Papier zerknüllt, immer ein A4 Blatt hatte sie zu einer Kugel zerdrückt und geformt. Nun trat sie ein paar Schritte zurück und atmete tief ein. Ihr Herz klopfte heftig, es schlug ihr fast bis zum Halse. Sie konnte keinen Rückzieher machen, für sie gab es sowieso kein Zurück. Nicht mehr.
     
    Thorsten blickte sich um. Eine schwarze Limousine hielt. Der Inspektor steckte sich schnell ein Pfefferminz in den Mund und zog seine Handschuhe wieder an. Er ging auf den Wagen zu. Der Mann im Anzug stieg aus und zog unwillkürlich die Schultern hoch. Sie standen sich gegenüber.
    „Bürgermeister.“
    „Thorsten.“
     
    Shane musste sich nicht mehr anstrengen. Sie verdunkelte ihre Gedanken, öffnete ihren Mund und machte sich auf die Welle gefasst. Doch das, was kam, war weitaus stärker als alles, was sie je erlebt hatte.
     
    Wie besprochen liefen sie an der inneren Mauer entlang „Nun, das sieht doch alles ganz gut aus, Thorsten!“ Der Bürgermeister nickte den Uniformierten, die an der Mauer standen zu.
    „So stelle ich mir das vor. Einsatz von zwanzig bis sieben Uhr?“
    „Ja.“
    „Reichen unsere Leute?“
    „Ja, nur …“
    „Was denn?“ Der Bürgermeister fuhr herum.
    Thorsten war klar, dass Waller keine schlechten Neuigkeiten hören wollte, das wollte er selbst am liebsten auch nicht. Sie blieben stehen. Der Inspektor atmete tief aus.
    „Reden sie, Mann!“, rief Waller unwirsch.
    „Nun ja, die Sache ist die, Oberbürgermeister …“
    Waller zog fragend die Brauen hoch.
    „Wir haben keine Probleme am Boden.“
    „Was zum Teufel meinen sie damit?“
    „Die Kämpfe der Banden …“
    „Ja?“
    „Sie scheinen sich auf die Dächer verlegt zu haben.“
    Der Bürgermeister sah sich um und trat dann einen Schritt auf Thorsten zu. „Was reden sie da, Mann?“
    Der Inspektor trat nicht zurück. „Sie kämpfen auf den Dächern!“
     
    Die Welle kam schneller und stärker als je zuvor. Sie schien Shane in zwei Hälften reißen zu wollen, erfasste das Papier in Windeseile und schleuderte es umher.
    Shane flog einige Meter zurück, fiel in den Schnee und schrie auf. Sie hatte kein Gefühl mehr in ihrem Gesicht. Shane riss die Augen auf. Die Papierkugeln kamen auf sie zu geflogen. Shane versuchte sich aufzurappeln.
    Das Papier flog ihr um die Ohren, es machte ein zischendes Geräusch, fast so wie die Pfeile in der Stadt, die Kugeln hämmerten auf sie ein.
    Sie hob schützend die Arme über den Kopf, während die Kugeln versuchten, ihr das Gesicht zu zerkratzen.
    Shane krabbelte ein paar Meter rückwärts, dann ließ sie sich auf den Rücken fallen und drehte sich um. Auf ihrem Rücken trommelte das Papier.
    Ihre Gedanken flogen umher, sie versuchte einen zu fassen, sie wusste, sie musste ruhig bleiben, sie musste sich beruhigen. Shane drehte sich um. Sofort flogen die Kugeln auf ihr Gesicht zu.
    Shane starrte sie an.
    Ihr Blick prallte auf etwas, die Kugeln verharrten. Zitternd schwebten sie in der Luft, manche von ihnen so nahe, dass Shane die kleinen Risse erkennen konnten, die sich durch das Papier zogen. Shane spürte die immense Kraft, gegen die sie ankämpfte. Es

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