Shane - Das erste Jahr (German Edition)
Ihre Augen wollten immer wieder zufallen, in ihrem Kopf dröhnte es und Shane entschied, dass es genug sei für heute. Sie würde schlafen gehen, und morgen würde sie weiter trainieren. Shane richtete sich langsam auf. Dann fiel ihr Blick auf das Fensterbrett. Sie runzelte die Stirn.
Am Rande der Stadt, in einer Straße, in der sich gepflegte Häuser in regelmäßigen Abständen aneinander reihten, saß in einem der Häuser ein Mann hinter einem der letzten erleuchteten Fenster und starrte auf einen Monitor. Thorsten rieb sich unentwegt über das Gesicht, er hatte die Aufnahmen nun schon dutzende Male gesehen, ihn verlangte nach einer Zigarette, einer Zigarette und einem Kaffee. „Verdammt, Stetten!“
Der Polizeiinspektor blickte aus dem Fenster, Schneeflocken stoben in der Nacht umher, in dieser eiskalten Nacht in einem Winter, der nie ein Ende zu nehmen schien.
Thorsten starrte erneut auf den Bildschirm, er klickte auf das kleine Zeichen mit dem Pfeil, und die Aufnahmen starteten erneut, liefen flackernd vor seinen Augen. Er hatte das Video nun schon dutzende Male gesehen, und noch immer ergab es keinen Sinn.
Shane war aufgestanden und zum Fensterbrett gegangen. Sie runzelte die Stirn und beugte sich etwas nach vorn. Aus dem Glas kam kein Rauch mehr. „Was…“ Sie streckte die Hand nach dem Fädchen aus. Langsam zog sie es nach oben. Der Teebeutel steckt fest. Das Wasser, welches vor ein paar Minuten noch gedampft hatte, war gefroren.
Shane richtete sich auf und schaute sich in ihrem Zimmer um, als würde sie irgendwo die Antwort auf eine Frage entdecken. Dann blickte sie wieder zu dem Glas. Sie zog erneut an dem Teebeutel. Ein Klumpen aus Eis in Form des Glases löste sich und baumelte in ihrer Hand.
Shane ließ den gefrorenen Tee wieder zurück in das Glas plumpsen und setzte sich dann auf ihr Bett.
Sie blickte fragend auf das Glas auf dem Fensterbrett.
Sie hatte gedacht, sie könne die Temperatur nicht verändern, doch sie hatte die falsche Frage gestellt. Sie hatte die Frage in die falsche Richtung gestellt. Sie konnte die Temperatur nicht nach oben verändern, aber nach unten. Shane starrte das Glas an und schüttelte langsam den Kopf. Sie konnte etwas gefrieren lassen.
„Schnee begräbt Sicherheitskonzept der Innenstadt unter sich.
Nachdem gestern auf der Bürgerversammlung als Hauptthema die Bekämpfung der Bandenkriege in der Stadt auf dem Plan stand, musste sich der Bürgermeister den aufgebrachten Stimmen der Bürger stellen, die einige Fragen zu einem ganz anderen Thema hatten. Säckeweise Beschwerden sind allein in der letzten Woche in unserer Redaktion eingegangen, in denen die Bewohner sich über die knapper werdenden Lebensmittel ausließen.
Nach Angaben von Martina Weber, Sprecherin des Einzelhandels, werden die großen Ketten am Rande der Stadt nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln versorgt, was an den gewaltigen Schneemassen liegt, die immer noch die Zubringerstraßen blockieren.
In den kleinen Geschäften im Inneren der Stadt sieht die Lage dagegen vergleichsmäßig besser aus:
Grundnahrungsmittel wie Mehl und Milch seien ausreichend vorhanden.“
Der junge Mann streifte seinen Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe. Ärgerlich betrachtete er den Stoff, der sich unter dem Schnee aufzulösen schien. „Verdammtes Dreckszeug!“ Er versuchte, die Nässe fort zu wischen, doch dann schüttelte er den Kopf.
Normalerweise war ihm das Wetter egal, normalerweise scherte er sich einen Dreck darum, doch das da draußen war schon lange kein Wetter mehr, es war das reinste Grauen. Stetten fiel noch ein anderes Wort ein, und das gefiel ihm deutlich besser.
Er drehte sich um und schaute grimmig in sein Spiegelbild. Das da draußen war Krieg.
Doch auch das konnte ihn nicht aufmuntern, er hatte eine scheiß Laune, und auch der Gedanke daran, dass er nicht einfach in die verdammte Stadt fahren konnte, sich in eine Bar hocken und ein paar Schnäpse und noch etwas anderes klar machen konnte half ihm nicht sonderlich; er brachte ihn eher dazu, verächtlich zu schnauben.
In der Stadt gab es viele Bars, viele gute Bars, doch bei diesem Wetter, in diesem Krieg ging kaum noch jemand vor die Tür, nur noch die alten Säcke, die im inneren Kern wohnten. Wird Zeit, dass ihr verreckt und euren Enkeltöchtern die Bude überlasst!
Stetten warf einen Blick über den langgezogenen Korridor, es war spät, und wahrscheinlich lag der Alte schon im Bett, doch er wollte kein Risiko
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