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Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Titel: Shane - Das erste Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia von Rein-Hrubesch
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trainiert werden.“
    Die roten Fäden schwirrten umher.
    „Das mache ich selbst.“, hörte Shane sich sagen.
    Nun runzelte die alte Frau die Stirn.
    Shane schaute wieder auf das Bild. „Wurde er …?“
    „Ja. Sie haben ihn erwischt. Er war einer der Letzten.“ Wieder sah sie Shane genau an. „Sieben Jahre.“, sagte sie dann. „Was ist mit deinen Eltern?“
    Shane runzelte die Stirn. „Meinen Eltern?“
    „Wo sind sie begraben?“
    „Begraben? Sie sind nicht begraben! Meine Eltern leben noch!“
    „Oh! Nun …“ Die alte Frau sah sie auf einmal seltsam an. Dann schwieg sie.
    Ein Geräusch ließ Shane zusammen zucken. Fast gleichzeitig blickten sie zur Tür, die in den Flur führte. „Sie sind da.“, sagte die alte Frau. Sie nahm den Packen, der auf dem Tisch lag, schob ihn in einen Beutel und hielt ihn Shane entgegen. „Hier, mein Kind. Er hätte gewollt, dass du das bekommst!“
    Shane griff danach, ohne zu fragen. Die alte Frau hielt kurz inne und schien zu überlegen.
    „Es gibt etwas, was Kurt immer gesagt hat.“, sagte sie dann leise. Sie blickte Shane an. „ Er sagte: Du musst nur den Arm ausstrecken.“
    Shane zog die Brauen zusammen.
    „Kannst du damit etwas anfangen, Shane?“
    „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf.
    Die alte Frau tat es ihr nach. „Ich war mir sicher, dass eine Bedeutung hat. Er sagte es so oft, immer und immer wieder.“ Dann hob sie leicht ihre Schultern. „Nun komm, Shane! Du kannst durch das Fenster im Bad verschwinden!“
    Sie drehte sich um und schlurfte eilig durch den dunklen Flur. „Es gibt eine kleine Spalte zwischen diesem und dem nächsten Haus. Du kannst sie nur über die Mauer verlassen.“ Plötzlich blieb sie stehen und blickte sich um. „Du hast doch keine Probleme mit Häuserwänden, Shane?“
    Shane schluckte. „Nein.“, sagte sie leise.
    „Nun, darin sind sich fast alle Augen gleich.“ Die alte Frau war schon wieder weiter geschlurft. Vor einer weiteren Tür blieb sie stehen. Sie legte die Hand auf die Klinke. Shane sah, wie sie einen sehnsüchtigen Blick auf das Ende des Flures warf, es schien ein Fenster dort zu geben.
    „Komm, Shane!“
    Shane folgte ihr in das Badezimmer, während sie lief, nahm sie ihren Rucksack von der Schulter und schob den Beutel ein. Schließlich stand sie neben der kleinen Frau in dem Badezimmer, in dem kaum Platz für sie beide war. Die Frau blickte auf das Fenster über dem Waschbecken. Es war winzig.
    Das Rauschen war nun ganz nah.
    „Komm, Shane!“
    „Was ist mit ihnen?“
    „Ach, mach dir um mich keine Sorgen, mein Kind, meine Zeit ist schon längst gekommen!“
    „Aber …“
    „Sie sind da, Shane! Beeil dich!“
    Shane zögerte, sie blickte in die gütigen Augen in dem runzligen Gesicht und wusste, dass sie die Antwort kannten. Sie kannten die Antworten auf alle Fragen, sie hatten alles gesehen; und Shane würde von ihnen alles erfahren, was sie wissen wollte.
    In den Augen konnte Shane noch etwas anderes erkennen. Es war keine Angst; die alte Frau schien keine Angst zu haben, und diese Gewissheit ließ Shane fast das Blut in den Adern gefrieren. Sie las den Tod.
    Die alte Frau würde sterben, sie würde heute Nacht sterben, und sie wusste es. Shane stand wie festgefroren in dem Bad mit den alten Fließen, durch die sich die Risse zogen wie kleine Bäche, sie konnte nicht aufhören in die wissenden Augen zu blicken.
    Sie starrte die alte Frau an. 
    Doch selbst wenn sie wollte, wenn sie mehr Zeit hätten, sie hätte der alten Frau keine Fragen mehr stellen können,
    es schien sie jetzt schon zu zerreißen, sie wollte nichts mehr hören, nichts mehr wissen, sie wollte das Wissen um den Tod nicht teilen.
    „Shane!“ Die alte Frau schob Shane zu dem Waschbecken und zog einen Hocker hervor.
    Am anderen Ende des Flures rüttelte etwas an der Haustür. Geräusche, die wie ein Kratzen klangen, drangen an Shane’s Ohren. Wütende Geräusche, böse Geräusche.
    Shane hatte die Augen aufgerissen. Ihre Brust ging rasend schnell auf und ab. Sie war unfähig, sich zu bewegen.
    „Los, Shane!“ Die alte Frau drängte sie vorwärts.

Shane stemmte sich hoch und blickte auf das Fenster über sich. Niemals würde sie …
    Das Rütteln wurde lauter, wütend knallte das Holz im Rahmen hin und her.
    Shane blickte angsterfüllt hinter sich, drehte dann den Kopf und starrte auf das Fenster. Der Rahmen löste sich fast mühelos aus der Wand, kippte nach hinten und verschwand in der Dunkelheit.
    Shane konnte hören, wie

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