Shanera (German Edition)
bevor sie weiter sprechen konnte.
„Wir wollen uns hier nicht einmischen, Kleine. Wir kontaktieren die Flussleute und fragen sie, ob sie etwas mit uns zu tun haben wollen. Das war‘s. Sie müssen ihre eigenen Entscheidungen treffen und wir werden nicht einzelne Fraktionen unterstützen oder sie hintergehen, wenn es nicht um einen absoluten Notfall geht.“
Shanera dachte darüber nach. Keine Einmischung, das klang eigentlich ganz vernünftig und rücksichtsvoll. Schließlich würden die Kintari auch nicht wollen, dass jemand bei ihnen auftauchte und seine überlegenen Fähigkeiten oder Möglichkeiten nutzte, um sich über die Beschlüsse der Ältesten hinwegzusetzen. Gefangene zu befreien war schließlich keine Kleinigkeit.
Trotzdem musste es ihr in der aktuellen Situation nicht gefallen.
„Das ist ja alles schön und gut, aber es geht hier um meine Freunde! Sie haben nichts Böses getan und werden zu Unrecht festgehalten.“ Sie wandte sich von Kessy zu Rey, in der Hoffnung, dort vielleicht eher Beistand zu erhalten. „Ich finde es nicht richtig, sie einfach dort zu lassen.“
Rey sah sie mitfühlend an. „Es ehrt Dich, dass Du Dich so für Deine Freunde einsetzt. Aber überleg mal. Auch wir können sie nicht einfach aus ihren Zellen hinaus schweben lassen – mal angenommen, dass sie überhaupt noch dort eingesperrt sind. Wir müssten schon zur Stadt zurück, uns einschleichen, die Wachen ablenken und so weiter. Dann ist es schon tief in der Nacht. Und wenn wir morgen aufkreuzen, nachdem die Gefangenen weg sind, bringen wir uns alle in Gefahr. Falls wir nicht mehr erscheinen oder wenn wir nicht jeden Verdacht ausräumen können, dass wir etwas mit der Geschichte zu tun haben, sind wir ein für allemal diskreditiert – und die Flussleute, die mit uns verhandeln wollten, ebenso.“
Shaneras Miene wurde während dieser Ausführungen immer länger. Sie presste die Lippen zusammen und drehte den Kopf zur Seite.
„Du hast wohl recht.“, meinte sie schließlich. „Der Alte wollte Zela ja auch als Zeugin der Götter auftreten lassen, da wird er sie wohl erst mal in Ruhe lassen. Hoffen wir mal, dass das für Koras als ihren Begleiter auch gilt.“
„Mach Dir nicht zu viele Sorgen, Kleine.“, versuchte Kessy sie aufzumuntern. „Die Flussleute sind so übel auch wieder nicht. Den beiden wird nichts passieren.“
Shanera musste das akzeptieren. „Na gut. Ich werde versuchen, mir weniger Sorgen zu machen. Aber nur, wenn Du mich nicht immer ,Kleine‘ nennst.“
Kessy zog eine Grimasse. „Oh, Entschuldigung. War nicht böse gemeint.“ Sie lächelte etwas verlegen.
„Ist schon gut.“, murmelte die Kintari. „Und wie sieht jetzt der Plan für morgen aus?“
„Irgendwie glaube ich nicht so recht daran, dass sich Eris und Irinos gegen Alnidas durchsetzen können. Er schüchtert die Leute ein mit seinem Gerede von den Göttern.“, meinte Noor.
„Ja, und er wird jede Menge Ärger machen, so lange bis er seinen Willen durchgesetzt hat.“, ergänzte Kessy. „Die Stadtregierung ist schwach und wird es nicht auf einen Konflikt ankommen lassen.“
„Und nach dem Prinzip der Nichteinmischung werdet Ihr sie auch nicht dazu drängen.“, folgerte Shanera laut.
„Du hast es erkannt.“, meinte Rey trocken. „Obwohl es mich wurmt, dass dieser alte Narr wohl seinen Kopf durchsetzen wird und wir und die Stadt das Nachsehen haben.“
„Aber was ist mit …“
„… Deinen Freunden? Wir werden sehen, ob wir wenigstens das morgen erreichen können – dass wir sie da heraus holen. Sie gehören nicht dorthin und … na ja, Ihr habt Euch immerhin entschlossen, bis hierher zu kommen, um etwas zu lernen. Damit seid Ihr schon weiter als viele aus der Stadt. Daher würde ich Euch gern helfen.“
Noor nickte und Kessy meinte: „Ich hatte gehofft, dass Du das sagen würdest.“
„Wir können die beiden ruhig als Deine Begleiter benennen, wahrscheinlich vermuten sie sowieso schon, dass Ihr zusammen gehört. Wegen Eurer schicken Tätowierungen, zum Beispiel.“ Shanera grinste verlegen.
„Sie wissen aber nichts genaues über Euch.“, fuhr Rey fort. „Wenn wir sagen, dass wir mit den Kintari auch in Verhandlungen stehen, können sie das nicht widerlegen.“
„Und dann fordern wir sie einfach auf, uns die beiden zu übergeben? Werden sie das tun?“, fragte Kessy.
„Könnte schon sein.“, meinte Noor. „Die beiden bringen den Flussleuten nur weitere Unruhe und können ihnen nichts wirklich Wertvolles
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