Shanera (German Edition)
vor, und ein Gefühl der Unzufriedenheit, ja sogar der Eifersucht begann sich in ihr zu bilden. Warum eigentlich? Koras war ganz nett, ja, aber sie interessierte sich nicht wirklich für ihn. Zu Zela könnte er ganz gut passen, und doch …
Sie wollte Zela nicht als Freundin verlieren, vielleicht war es das. Seltsam, erst hatte Shanera sie ohne Abschied im Dorf zurückgelassen, weil sie ihrer Gesinnung nicht traute, dann die Auseinandersetzungen um ihre mögliche Rückkehr, jetzt noch der Vorfall in den Ruinen. All das änderte nichts daran, dass sie sich Zela auf eine tiefe und nicht einfach nur aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit erklärliche Weise verbunden fühlte.
Sie wollte ihre Gedanken ordnen und Klarheit über ihre Gefühle gewinnen, doch je mehr sie es versuchte, desto unruhiger und verwirrter wurde sie. Sie packte ihre Schriftrollen und Federn zusammen, ging ein paar Schritte unter dem Felshang hervor. Ein paarmal atmete sie tief durch, blickte zögernd umher, dann setzte sie sich auf eine große Felsplatte, die einigermaßen trocken geblieben war. Den Kopf in die Hände gestützt starrte sie in den Wald hinaus.
Grautöne mischten sich in die Umgebung. Bäume und Pflanzen waren hier nicht so farbenfroh, wie sie es von ihrer bisherigen Reise in Erinnerung hatte. Sie hoffte halb, Windbote würde ihr etwas Gesellschaft leisten, doch der Vogel war nirgendwo zu sehen.
Zudem hatte Koras angedeutet, dass ihm das Verhalten des Tieres unheimlich vorkam, und sie hatte ihm nicht direkt widersprechen können. Sie wollte den Gerokjäger gerne weiterhin als Boten der Götter betrachten, doch die Zeichen der Höheren waren meist von kurzer Dauer und lungerten nicht tagelang um den Adressaten herum. Für seine Spezies war dieses Verhalten auch alles andere als natürlich. Was sollte sie also glauben? Sie wünschte, ihren Wunden wären verheilt und sie könnten weiterziehen, so dass sie von diesen fruchtlosen Grübeleien abgelenkt wäre.
Ein bisschen ungelenk, sorgfältig auf ihre Verbände achtend, nahm sie die Meditationshaltung ein und begann, sich von ihren Gedanken zu befreien. Es dauerte lange, bis sie zumindest die erste Stufe der Meditation erreicht hatte.
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Zela und Koras hatten zwei Tiere und einiges an Früchten und Kräutern erbeutet und waren guter Dinge. Die unangenehmen Erlebnisse der letzten Tage verblassten und Zela fühlte sich in so gelöster Stimmung, dass sie sich einen Spaß daraus machte, mit Koras zu schäkern. Dieser schien etwas verwirrt und reagierte unsicher, vielleicht sogar verlegen, was Zela süß fand. Sie wusste selbst nicht genau, ob sie es ernst meinte, doch irgendwie hatte Koras es ihr schon angetan. Dazu rechnete sie ihm hoch an, dass er sie immer fair behandelt hatte, auch und gerade in den beiden vergangenen Tagen.
„Na, was denkst Du, können wir morgen weiterziehen oder müssen wir beide uns hier noch ein wenig die Zeit vertreiben?“, fragte sie ihn.
„Ähm … denk nicht, dass mir nichts einfallen würde, wie wir zwei uns beschäftigen könnten.“ Koras räusperte sich. „Aber ich nehme an, Du meinst, wie es Shanera geht. Ich denke, sie ist morgen schon wieder auf den Beinen. Wir müssen ja keine Gewaltmärsche durchziehen. Sie hat es sicher satt, noch länger herumzusitzen.“
„Das denke ich auch. Da hätte sie ja auch gleich im Dorf bleiben können.“ Sie wurde nachdenklich. „Glaubst Du, sie vermissen uns dort?“
„Ob sie uns vermissen? Na ja, einige wahrscheinlich schon. Inzwischen sind wir jedenfalls länger weg, als Jäger oder sonst wer üblicherweise unterwegs sind. Kann natürlich sein, dass sie einfach unsere Wohnplätze neu vergeben und uns rauswerfen.“
„…Oh. Glaubst Du wirklich? Damit würden sie doch länger warten, oder? Schließlich könnte es doch sein, dass wir uns verirrt hätten oder wegen eines Unwetters oder Unfalls aufgehalten wurden …“
„Wurden wir ja auch. So schnell werden sie uns schon nicht aufgeben. Aber irgendwann wird es soweit sein, damit müssen wir rechnen. Nach Shaneras Flucht werden sie uns eher des gleichen Verhaltens verdächtigen, als einen Unfall anzunehmen.“
Zelas Stimmung sank und man sah es ihr an. Koras trat neben sie und legte ihr zögernd den Arm um die Schulter.
„Ich weiß, es ist schwierig, neue Pfade zu gehen und keine Ahnung zu haben, ob einem der Rückweg noch offen steht. Aber ich denke, es lohnt sich, sonst wäre ich nicht mitgekommen. Und ich bin bei Dir, in Ordnung?“
„Klar.“, sagte
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