Shanera (German Edition)
Deinem linken Arm gefällt mir nicht. Sie ist angeschwollen. Ich fürchte, wir müssen die Naht noch mal aufmachen.“
„Oh, verdammt. Bitte nicht.“ Ein flaues Gefühl breitete sich in Shaneras Magen aus.
„Es muss sein. Wenn wir warten, wird es nur noch schlimmer.“
„Mir wird schon ganz anders, wenn ich nur an dieses Pulver denke.“
Zela verfolgte die Diskussion unbehaglich und mit großen Augen. In der Theorie wusste sie zwar über die Wundbehandlung Bescheid, in der Praxis hatte sie damit aber bisher nicht viel zu tun gehabt. Sie hatte gehofft, dass Shanera auf dem Weg der Besserung war und nicht noch mehr Schmerzen ihretwegen ertragen musste.
Koras blieb unnachgiebig. „Hör mal, am besten, wir bringen es gleich hinter uns.“
Shanera atmete tief durch und ließ den Kopf hängen. Sie blickte mit leidender Miene um sich. „Also gut. Ich weiß schon, Du hast recht.“
„Zela, kannst Du bitte das Messer hier am Feuer erhitzen?“
Zela schluckte, nahm aber das ihr hingereichte kleine Messer und hielt es mit der Klinge dicht über die Flammen. Koras bereitete inzwischen etwas von dem Kräuterpulver zu und suchte Nadel und Faden heraus, abgekochtes Wasser stand bereit.
„Du solltest etwas von den Kreuzkräutern hinzufügen.“ sagte Zela plötzlich. „Es soll helfen, wenn die erste Behandlung nicht angeschlagen hat.“
Koras blickte sie erstaunt an, nickte dann aber und ergänzte das Pulver, ihrem Rat folgend.
„Gut. Shanera, leg Deinen Unterarm hier drauf. Zela, Du hältst den Arm fest, so dass er sich nicht bewegen kann.“
Zela biss sich auf die Lippe. Sie blickte ihre Freundin um Entschuldigung bittend an, bevor sie Handgelenk und Ellbogen fest auf den unterliegenden Felsen drückte. Shanera ballte die Hände zur Faust und biss die Zähne zusammen.
Koras trennte mit dem heiß gemachten Messer behutsam die Naht auf und entfernte die Fäden, während seine Patientin gegen den Schmerz ankämpfte. Die zum Vorschein kommende Wunde sah, vorsichtig ausgedrückt, nicht sehr schön aus. Er drehte den Arm zur Seite und wusch alles gründlich aus, wobei Zela jetzt auch den anderen Arm der nur noch stoßweise atmenden Shanera festhielt. Anschließend kam das Pulver in die Wunde. Zela fühlte sich miserabel, als sie Shaneras Gesicht während der Tortur ansehen musste.
Das erneute Zunähen am Schluss war noch der harmloseste Teil der ganzen Prozedur. Als es vorbei war und Shanera vorsichtig ihre Finger entkrampfte, hatten ihre Nägel tiefe Spuren in den Handballen hinterlassen. Ungelenk wischte sie sich mit dem rechten Arm die Tränen aus dem Gesicht.
„So, alles klar.“, verkündete Koras. Er sah Shanera mitfühlend an. „Das wird jetzt schon wieder. Nachher gibt’s auch was Leckeres zum Essen als Belohnung.“
Shanera blinzelte matt. „Beeren?“, fragte sie dann nach einer Weile.
Koras lächelte nachsichtig. „Ja, für Dich natürlich auch Beeren.“ Er hoffte, dass an den Sträuchern unter den Felsen noch ein paar zu finden waren. Seinen Umhang überwerfend, fragte er Zela: „Das Essen dauert noch ein bisschen, oder?“
„Äh … also, einen halben Sandlauf vielleicht … Willst Du jetzt noch mal runter, bei dem Wetter? Zum Beeren holen?“
Ein etwas verlegenes Grinsen war die Antwort. Koras griff sich einen Beutel und war aus dem Raum, noch ein „Bin rechtzeitig wieder da.“ hinterlassend.
Zela warf Shanera einen strengen Blick zu, doch die konnte auch nur eine entschuldigende Grimasse anbieten, in die sich ein verstohlenes Grinsen schlich.
„Das ist ja allerhand. Was hat sich denn bei Euch alles abgespielt, als ich nicht da war?“
„Nun übertreib mal nicht. Ich war nicht in der Verfassung für Spielchen, das kannst Du mir glauben.“ Shanera legte sich mit unbekümmerter Miene vorsichtig auf ihr Lager zurück. „Er will mir eben was Gutes tun, damit’s nicht so weh tut.“ Sie zeigte ihren Arm vor. „Ist das etwa verboten?“
„Hmm.“
+
Keiner konnte gut schlafen in dieser Nacht. Sie hatten zu lange herumgesessen, um müde zu sein, und zu viele beunruhigende Erinnerungen in den Köpfen, um abschalten zu können. Koras schlich sich irgendwann mit seiner Decke hinaus und setzte sich neben dem nächsten Ausgang ins Freie, mit dem Rücken an eine schräge Wand gelehnt. Es hatte aufgehört zu regnen und die Luft war feucht und warm. Lange starrte er auf die Sterne, vor denen schwarze Wolkenfetzen vorbei trieben. Ein paarmal meinte er, entfernt die Geräusche der
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