Shannara I
Von Tieren oder Vögeln war keine Spur zu sehen, und seit der Morgendämmerung war den drei Männern kein anderes Lebewesen begegnet.
Es mangelte jedoch nicht an Gesprächsstoff. Einige Male wünschte Shea sich sogar, Panamon Creel möge seiner eigenen Stimme überdrüssig werden und schweigen. Der hochgewachsene Dieb sprach beinahe unaufhörlich mit seinen Begleitern, mit sich selbst und bei Gelegenheit mit niemandem. Er sprach über alles mögliche, auch über viele Dinge, von denen er offenkundig nichts verstand. Das einzige Thema, das er bewußt mied, war Shea selbst. Er tat so, als sei der junge Mann ein Spießgeselle, ein Komplice, mit dem er offen über seine Erlebnisse sprechen konnte. Er vermied es aber sorgfältig, über Sheas Herkunft, die Elfensteine oder das Ziel der Reise zu sprechen. Anscheinend hielt er es für das Beste, den lästigen Talbewohner so schnell wie möglich nach Paranor zu bringen und dann das Weite zu suchen. Shea hatte keine Ahnung, wohin die beiden vorher gewollt hatten. Vielleicht waren sie sich darüber selbst nicht im klaren gewesen. Die Situation war schwierig genug, dachte er; die Diebe wußten so gut wie er, daß er versuchen würde, ihnen die Steine wieder abzunehmen. Fraglich war nur noch die Art und Weise.
Gelegentlich warf Shea einen Blick auf den stummen Berg-Troll und fragte sich, was für eine Person hinter dem ausdruckslosen Äußeren verborgen sein mochte. Der Troll zeigte eine Haltung von unbestreitbarer Würde, und in den tiefliegenden Augen funkelte eine Intelligenz, die Shea zu der Ansicht gelangen ließ, daß Keltset weitaus vielschichtiger sein mochte, als sein Begleiter annahm oder zumindest bekundet hatte. Wie bei Allanon hatte Shea das Gefühl, daß Panamon Creel ihm nicht die ganze Wahrheit verraten hatte. Aber im Gegensatz zu dem Druiden war der Dieb wohl ein Lügner, bei dem man kaum etwas für bare Münze nehmen durfte. Allerdings wurde Shea auch nicht das Gefühl los, daß der Scharlachrote mehr sein mochte als ein simpler Straßenräuber.
Sie brachten das Mittagsmahl schnell hinter sich. Während Keltset ihr Kochgerät einpackte, erklärte Panamon Shea, daß sie nicht mehr weit vom Jannisson-Paß an der Nordgrenze des Hügellandes entfernt seien. Nach dem Paß würden sie die Ebenen von Streleheim durchqueren, um in westlicher Richtung nach Paranor zu gelangen. Dort würden sie sich trennen, betonte der Dieb, und Shea könne sich mit seinen Freunden vereinigen oder zur Druidenfestung gehen, ganz nach Belieben. Shea nickte stumm und räumte seine Sachen zusammen. Sie marschierten weiter zu den niedrigen Bergen, die vor ihnen auftauchten. Shea war überzeugt davon daß das ferne Gebirge zur Linken ein Ausläufer der Drachenzähne war, aber die Bergkette hatte ein gänzlich anderes Aussehen, und zwischen den beiden Gebirgszügen mußte der Jannisson-Paß liegen. Sie waren dem Nordland sehr nah gekommen, und für Shea gab es keine Umkehr.
Panamon Creel erzählte wieder ausführlich von seinen Abenteuern. Seltsamerweise erwähnte er Keltset dabei kaum, ein weiterer Hinweis für Shea, daß der Räuber weniger über den Berg-Troll wußte, als er vorgab. Shea gewann langsam den Eindruck, daß der Troll für den Scharlachroten ein ebensolches Rätsel war wie für ihn. Der Troll war Shea zwar vorher wie ein hundeähnlicher Begleiter des Diebes erschienen, aber bei näherer Betrachtung gewann Shea den Eindruck, daß er aus ganz anderen Gründen mit dem Scharlachroten unterwegs war. Shea rätselte über die stolze Haltung und distanzierte Art des Trolls. Keltset hatte die Gnomen schnell und rücksichtslos niedergemacht, aber im Rückblick sah es ganz so aus, als habe er das getan, weil es sein mußte - nicht, um seinen Begleiter zu befriedigen oder die Steine in seinen Besitz zu bringen. Shea vermochte nicht zu erkennen, was Keltset in Wirklichkeit sein mochte, aber ganz gewiß war er kein unterdrückter, ausgestoßener Einzelgänger.
Der Tag war besonders warm, und Shea begann heftig zu schwitzen. Das Gelände wurde keineswegs ebener, und es war mühsame, langwierige Arbeit, die Höhen zu überwinden. Panamon redete fast ununterbrochen und lachte und scherzte mit Shea, als seien sie alte Freunde. Shea hörte sich pflichtgetreu die Geschichten über Panamons Frauen an, worunter auch eine schöne Königstochter gewesen sein sollte, die der Räuber nur verloren hatte, weil ihr Vater dazwischengetreten war und sie in ein fernes Land geschickt hatte. Shea seufzte
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