Shannara II
sie unter dem Blätterdach des Baumes. Der Nachtwind erstarb, und die eisige Kälte in ihrem Inneren wandelte sich in flammende Hitze.
Stumm sank sie auf dem Teppich toter Blätter und abgebrochener Zweige auf die Knie und faltete die Hände in ihrem Schoß. Sie wartete.
Nicht lange, da senkte ein kranker Zweig sich abwärts und legte sich behutsam um ihre Schultern.
»Amberle.«
Das Elfenmädchen begann zu weinen.
Es war lange still gewesen zwischen ihnen, als Wil plötzlich eine seltsame Bemerkung Allanons ins Gedächtnis kam. Nach dem letzten Gedankenaustausch hatte er beschlossen, dem Druiden keine Fragen mehr zu stellen, doch jetzt gewann die Neugier die Oberhand.
»Allanon!«
Der Druide blickte ihn an.
»Mir geht da etwas im Kopf herum.« Er nahm sich Zeit, um seine Worte zu ordnen. »Als Ihr Amberle erklärtet, daß wir schon heute abend hierherkommen mußten, erinnerte sie Euch daran, daß Ihr den Elfen bei der Sitzung gesagt hattet, sie brauche ein bis zwei Tage Ruhe. Darauf erklärtet Ihr, das sei eine notwendige Täuschung gewesen. Was meintet Ihr damit?«
Das Mondlicht enthüllte das vertraute spöttische Lächeln auf dem schmalen Gesicht des Druiden.
»Ich habe mich schon gefragt, wann diese Frage kommen würde, Wil Ohmsford.« Er lachte leise. »Deine Wißbegierde macht vor nichts halt.«
Wil lächelte unbestimmt.
»Erhalte ich auf meine Frage eine Antwort?«
Allanon nickte. »Sie wird dir allerdings nicht gefallen. Die Täuschung war notwendig, weil sich im Lager der Elfen ein Spion befindet.«
Wil wurde eiskalt. »Woher wißt Ihr das?«
»Logische Überlegung. Als ich in Paranor eintraf, erwarteten mich die Dämonen schon. Sie erwarteten mich, Talbewohner - ich wurde nicht verfolgt! Das läßt darauf schließen, daß sie im voraus von meinem Kommen wußten. Aber woher wußten sie es? Woher wußten sie überhaupt von mir? Nur Eventine wußte, daß ich in die Vier Länder zurückgekehrt war. Nur Eventine wußte von meinem Plan, nach Paranor zu reisen; ihm allein vertraute ich an, daß ich nach Paranor reisen wollte, um in den alten Geschichtsbüchern der Druiden nach einem Hinweis auf die Lage des Ortes Sichermal zu suchen. Ich bat Eventine, niemandem etwas zu verraten, und ich bin sicher, das hat er auch nicht getan.«
Er schwieg einen Augenblick.
»Damit bleibt nur eine Möglichkeit. Jemand hat unser Gespräch belauscht - jemand, der Grund hatte, uns an die Dämonen zu verraten.«
Wils Miene zeigte Zweifel.
»Aber wie soll das denn geschehen sein? Ihr sagtet doch selbst, niemand hätte gewußt, daß Ihr in die Vier Länder zurückgekehrt seid.«
»Ja, das verursacht auch mir Kopfzerbrechen«, bekannte der Druide. »Der Spion muß jemand sein, dem es keine Mühe macht, zum König Zugang zu erhalten; jemand, der über all sein Tun und Lassen Bescheid weiß. Jemand aus seinem Haushalt vielleicht.« Er zuckte die Schultern. »Auf jeden Fall war es ein Glück, daß ich dem König nichts davon sagte, wo Amberle sich aufhielt, sonst wären die Dämonen zweifelsohne vor mir bei ihr gewesen.« Er hielt inne, und seine schwarzen Augen fixierten den jungen Talbewohner. »Und über dich wären sie auch hergefallen, denke ich mir.«
Wil überlief eine Gänsehaut. Die Vorstellung war selbst jetzt noch beängstigend. Zum erstenmal, seit er Allanon begegnet war, war er froh, daß der Druide so zugeknöpft und verschwiegen war.
»Wenn das so ist, warum habt Ihr dann den Elfen bei der Sitzung des Hohen Rats so viel anvertraut?« fragte er. »Wenn sich im Lager der Elfen wirklich ein Spion verbirgt, ist dann nicht damit zu rechnen, daß er alles erfährt, was bei der Sitzung gesprochen wurde?«
Der Druide neigte sich zu Wil Ohmsford hinüber.
»Durchaus. Ich habe sogar die Absicht, dafür zu sorgen, daß er alles erfährt. Das ist der Grund für die Täuschung. Siehst du, die Dämonen wissen bereits, daß wir hier sind, und sie wissen auch, warum wir hier sind. Sie wissen, wer ich bin; sie wissen, wer Amberle ist. Aber sie wissen noch nicht, wer du bist. Alles, was sie wissen, haben sie aus meinen Gesprächen mit Eventine erfahren. Wir haben den Elfen bei der Ratssitzung nichts Neues mitgeteilt - abgesehen von einem Punkt. Wir haben ihnen erklärt, daß Amberle einige Tage Erholung braucht, ehe sie vor den Ellcrys hintritt. Folglich werden die Dämonen nicht erwarten, daß wir in den nächsten Tagen etwas unternehmen werden. Und diese Täuschung wird uns, hoffe ich, einen kleinen, aber sehr
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