Shannara II
nützlichen Vorteil liefern.«
»Was für einen Vorteil?« wollte Wil wissen. »Was habt Ihr vor, Allanon?«
Der Druide schürzte die Lippen.
»Da, Freund Wil, muß ich dich noch um ein Weilchen Geduld bitten. Aber ich verspreche dir, daß du die Antwort bekommen wirst, ehe die Nacht vorüber ist. Nun, ist das ein faires Angebot?«
Wil fand es gar nicht fair, aber er wußte, daß es sinnlos war, Allanon zu drängen. Wenn der Druide einmal etwas beschlossen hatte, war daran nicht mehr zu rütteln.
»Noch eines.« Der Druide legte dem jungen Mann mahnend die Hand auf die Schulter. »Sag Amberle nichts von alledem. Ihre Angst ist groß genug; es besteht keine Notwendigkeit, ihr noch mehr Angst zu machen. Laß dies ein Geheimnis zwischen dir und mir sein.«
Wil Ohmsford nickte.
Minuten später trat Amberle aus dem Schatten des Baumes. Die Umrisse ihrer Gestalt hoben sich scharf vom Nachthimmel ab, als sie einen Augenblick zaudernd verharrte. Dann setzte sie sich in Bewegung und schritt hangabwärts, den beiden Männern entgegen. Sie ging langsam, vorsichtig, als sei sie sich ihrer Bewegungen nicht sicher, und hielt die Hände fest vor der Brust gefaltet. Die Kapuze hatte sie abgestreift, und ihr langes kastanienbraunes Haar wehte im Nachtwind. Als sie sich ihnen näherte, konnten sie die Verzweiflung in ihrem Antlitz deutlich sehen. Ihre Züge waren bleich, die Wangen feucht von Tränen, und Angst spiegelte sich grell in den grünen Augen.
Vor ihnen blieb sie stehen. Ihr zierlicher Körper zitterte.
»Allanon«, stieß sie weinend hervor.
Der Druide sah, daß sie einem Zusammenbruch nahe war. Sogleich nahm er sie in seine Arme und hielt sie fest umschlungen. Diesmal ließ sie sich seine Umarmung gefallen, weinte still an seiner Brust. Lange hielt er sie so, ohne ein Wort. Wil betrachtete die Szene verlegen und kam sich nutzlos vor.
Nach einiger Zeit versiegten die Tränen. Allanon ließ das Elfenmädchen los und trat zurück. Einen Moment noch hielt sie den Kopf gesenkt, dann erhob sie ihn und blickte den Druiden an.
»Ihr hattet recht«, flüsterte sie.
Die zusammengepreßten Hände lösten sich von den Falten ihres Gewandes und öffneten sich langsam. In ihrem Inneren lag ein vollendet geformter silberweißer Stein, das Samenkorn des Ellcrys.
Kapitel 20
Allanon führte sie aus dem Garten hinaus. Bis zur Unkenntlichkeit vermummt in Umhänge und Kapuzen, glitten sie schattengleich durch das Tor, vorbei an den Posten der Schwarzen Wache, und traten den Rückweg zur Stadt an. Der Druide erklärte ihnen nicht, wohin er sie bringen wollte, und sie fragten nicht. Sie schritten schweigend aus, Allanon immer ein, zwei Schritte voraus. Wil und Amberle waren zu Tode erschöpft. Immer wieder blickte der Talbewohner voller Besorgnis auf das Elfenmädchen, doch sie ließ sich kaum etwas anmerken von den Gefühlen, die sie beherrschten, und er erhaschte nur hin und wieder einen Blick auf das von der Kapuze verdunkelte Antlitz. Einmal fragte er sie leise, ob alles in Ordnung sei, und sie nickte stumm.
Kurze Zeit später erkannten sie, daß sie sich dem Herrenhaus der Elessedils näherten. Wortlos winkend führte Allanon sie in den Park, der das lichtlose Haus umschloß. An einem Föhrenwäldchen vorbei, das die Südwiese säumte, ging es an einer langen Hecke entlang zu einer kleinen Nische und einer hohen Fenstertür, die in dichtes Dunkel gehüllt war. Vor dieser Tür blieb Allanon stehen und klopfte verhalten an das Glas.
Sie mußten einen Augenblick warten, bis die Vorhänge im Inneren ein wenig auseinandergeschoben wurden. Ein Riegel wurde entsichert, und die Tür öffnete sich. Eilig bedeutete Allanon ihnen hineinzugehen, sah sich noch einmal um und folgte ihnen dann.
Einige Sekunden standen sie in der Finsternis und lauschten den gedämpften Schritten einer Person, die langsam durch den Raum ging. Dann flammte eine Kerze auf. Wil sah, daß sie sich in einem kleinen Studierzimmer befanden. Dunkles Eichenholz von Wänden und Bücherborden schimmerte im Schein der Kerze, sanfte Farben alter Bücher und kostbarer Wandbehänge tauchten aus den Schatten. Auf einer kleinen, erdfarbenen Matte auf der anderen Seite des Raumes lag ein angegrauter alter Wolfshund, der neugierig den Kopf hob und freundlich mit dem Schwanz wedelte.
Eventine Elessedil stellte die Kerze auf einen kleinen Schreibtisch und wandte sich ihnen zu.
»Ist alles vorbereitet?« fragte Allanon mit tiefer Stimme in die Stille hinein.
Der alte König
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