Shannara II
Steinquadern errichteten Mauern, deren schmale Fensterhöhlen schwarz und leer waren. Eisendornen bewehrten die Brüstungen. Hoch oben im Wald spitzer Türme schlugen Eisenketten, an denen einst die Banner der Elfenkönige befestigt waren, klirrend gegen eiserne Masten. Aus den Tiefen des Berges hoch über der Festung scholl der durchdringende Ruf eines Nachtvogels, schwoll an, bis er vom gellenden Pfeifen des Windes nicht mehr zu unterscheiden war, verlor sich dann in vielfältigem Echo. Die fünf, die von der kleinen Truppe aus Arborlon geblieben waren, kletterten keuchend die Treppe zum Tor der verlassenen Festung hinauf und traten vorsichtig ins Innere. Ein hoher, geschlossener Gang führte zu einer zweiten Mauer. Unkräuter hatten sich durch die Risse in dem Stein gebohrt, der den Gang pflasterte. Dumpf hallten die Schritte der fünf Wanderer durch die Stille. Fledermäuse flatterten mit wild schlagenden Flughäuten aus der Dunkelheit auf. Kleine Nagetiere huschten flink über den brüchigen Stein. Spinnweben hingen in feinen Schleiern von der Decke und hefteten sich in langen bleichen Fäden an die Kleider der Wanderer.
Am Ende des Durchgangs führte ein Tor in einen großen Hof, der vom Heulen des Windes erfüllt war. Zu beiden Seiten einer Brustwehr führten Treppen zu einem Söller vor dem Hauptturm der uralten Festung hinauf. Es war eine gewaltige steinerne Zitadelle, die Hunderte von Fuß in den Nachthimmel hinaufragte. Fenster kennzeichneten die verschiedenen Stockwerke des Turmes, der weit über das Land blickte. In der Mitte des Söllers, in eine schützende Nische eingelassen, befand sich eine hölzerne Tür. Darunter war eine zweite Tür, die vom Hof direkt in den Turm führte. Beide waren verschlossen.
Wil war gar nicht recht geheuer, als er den Blick über die uralten, verwitterten Mauern und Brustwehren wandern ließ. Der tobende Wind pfiff ihm um die Ohren und blies ihm Staub und Schmutz in die Augen. Er zog die Kapuze seines Umhangs tiefer in die Stirn. Die Festung war ihm unheimlich. Sie flößte ihm Angst ein. Die Geister der Toten waren hier zu Hause; Lebende waren hier Störenfriede. Er blickte Amberle an und sah das gleiche Unbehagen auf ihren Zügen.
Crispin hatte Dilph zum Söller hinaufgeschickt. Er selbst trat jetzt mit Katsin im Schlepptau auf die untere Tür im Turm zu. Den Riegel konnte er nicht öffnen, so warf er sich denn mit dem ganzen Gewicht seines Körpers gegen die Tür. Sie gab nicht nach. Sie widerstand auch Katsins Bemühungen. Wil beobachtete diese Anstrengungen, die Tür gewaltsam zu öffnen, mit wachsender Beunruhigung. Die Festung schloß sie alle ein wie ein Gefängnis. Er wollte nur fort von hier.
Dilph kam die Treppe vom Söller herunter. Seine Worte verloren sich beinahe im gellenden Heulen des Windes. Die obere Tür war offen. Crispin nickte. Nachdem er einige herumliegende Holzscheite aufgesammelt hatte, die ihnen im Turm als Fackeln dienen konnten, führte er die kleine Truppe die Treppe hinauf zum Söller. Die Tür oben war angelehnt. Crispin trat nur einen Schritt hinein, entzündete mit Zunder eines der Scheite als Fackeln, die er bei sich hatte, zündete eine zweite an und gab sie Dilph, winkte sie dann alle herein und drückte die Tür zu.
Sie befanden sich in einem kleinen Vorraum, von dem mehrere dunkle Gänge abzweigten. Hinten war eine Wendeltreppe, die sich vom Erdgeschoß aufwärts in die Finsternis wand. Dichter Staub hing in der vom Wind bewegten Luft, und das Felsgestein des Turms war durchdrungen vom modrigen Geruch ständiger Feuchtigkeit.
Die Fackel hoch in der Hand, schritt Crispin einmal durch den kleinen Raum, prüfte den schweren Eisenriegel, durch den die Tür gesichert war, und kehrte wieder zu den anderen zurück. Hier würden sie bis zum Morgen rasten. Katsin und Dilph würden im Hof Wache halten, während Wil und Amberle schliefen. Crispin würde sich inzwischen auf die Suche nach dem Durchgang machen, der sie durch den Berg zu den Ufern des Mermidon führen würde.
Dilph reichte Wil seine Fackel. Gefolgt von Katsin schlüpfte er in die Nacht hinaus. Crispin verriegelte die Tür hinter ihnen, ermahnte Wil und Amberle, sie keinesfalls zu öffnen, und verschwand dann in der Finsternis eines der Gänge. Wil und Amberle blickten ihm nach, bis das Licht seiner Fackel in der Schwärze unterging. Dann trat Wil an die Tür, steckte seine Fackel in einen eisernen Halter an der Wand, und hockte sich, den Rücken zur Tür gelehnt, auf dem
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