Shannara II
Enttäuschung zu verbergen. »Aber was ist mit der Grenzlegion? Wann wird die geschickt werden?«
Stee Jans schwieg einen Moment.
»Herr, ich denke, ich sollte unverblümt zu Euch reden. Es kann sein, daß die Legion überhaupt nicht geschickt wird. Der Rat der Städte hat noch keine Entscheidung getroffen. Wie den meisten Räten fällt es ihnen leichter, über Entscheidungen zu diskutieren, als welche zu fällen. Euer Gesandter hat überzeugend gesprochen, wie ich hörte, doch im Rat sitzen viele, die zur Vorsicht mahnen, und manche, die sich auf nichts einlassen wollen. Der König unterwirft sich den Beschlüssen des Rates; der Rat schielt immer mit einem Auge nach Süden. Die Föderation ist eine Gefahr, die der Rat real sehen kann; Euere Dämonen sind kaum mehr als ein Mythos.«
»Ein Mythos!« Andor war entsetzt.
»Ihr könnt von Glück sagen, daß man Euch wenigstens die Freitruppe zu Hilfe gesandt hat«, fuhr der hochgewachsene Mann unerschüttert fort. »Und nicht einmal die hätte man ausgeschickt, läge dem Rat nicht daran, sein Gewissen zu beruhigen. Den guten Willen wenigstens müsse man den Elfen zeigen, hieß es. Da war die Freitruppe gerade recht - wie immer, wenn jemand geopfert werden muß.«
Die Worte waren eine schlichte Feststellung, ohne Groll und ohne Bitterkeit vorgebracht. Die Augen des Befehlshabers blieben undurchdringlich und ausdruckslos. Andor errötete.
»Ich hatte nicht gedacht, daß die Männer von Callahorn so einfältig sind!« stieß er ärgerlich hervor.
Stee Jans musterte ihn abschätzend einen Augenblick lang.
»Soweit ich unterrichtet bin, baten die Grenzländer die Elfen um Unterstützung, als Callahorn von den Heeren des Dämonen-Lords angegriffen wurde. Doch Eventine wurde vom Dämonen-Lord gefangengenommen, und in seiner Abwesenheit war der Hohe Rat der Elfen unfähig zu handeln.« Er machte eine kurze Pause. »So ähnlich liegen die Dinge jetzt in Callahorn. Die Grenzgebiete haben Führer; diese haben seit Balinors Tod keinen Führer mehr.«
Andor musterte den anderen mit einem kritischen Blick, und sein Zorn verrauchte langsam.
»Ihr seid ein offener, freimütiger Mann, Befehlshaber.«
»Ich bin ein ehrlicher Mann, Herr. Das erlaubt mir, die Dinge klarer zu sehen.«
»Was Ihr mir da berichtet habt, wird einigen Leuten in Callahorn vielleicht nicht gefallen.«
Der Grenzländer zuckte die Schultern.
»Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich hier bin.«
Ein Lächeln breitete sich langsam auf Andors Gesicht aus. Stee Jans gefiel ihm - sowenig er im Augenblick über ihn wußte.
»Befehlshaber, ich wollte Euch nicht im Zorn empfangen. Mein Zorn hat nichts mit Euch zu tun. Bitte versteht das. Die Freitruppe ist hier höchst willkommen. Jetzt laßt mich für eine Unterkunft für Euch sorgen.«
Stee Jans schüttelte den Kopf.
»Das ist nicht nötig; ich schlafe dort, wo meine Soldaten schlafen. Herr, wie ich höre, beabsichtigen die Elfen morgen in aller Frühe aufzubrechen.« Andor nickte. »Dann wird auch die Freitruppe aufbrechen. Wir brauchen nur die eine Nacht Rast. Bitte richtet das dem König aus.«
»Ich werde es ihm sagen«, versprach Andor.
Der Befehlshaber der Freitruppe salutierte, dann machte er kehrt und schritt zu seinem Pferd zurück. Nachdem er sich wieder in den Sattel geschwungen hatte, nickte er den Reitern der Elfenpatrouille, die ihn und seine Leute begleiteten, kurz zu, und der lange graue Zug schwenkte wieder nach links, die schlammige Straße hinunter.
Mit einer Mischung aus Bewunderung und Ungläubigkeit blickte Andor den Soldaten nach. Sechshundert Mann! Und die Dämonen werden zu Tausenden über das Elfenreich herfallen! Er fragte sich, was sechshundert Südländer da noch ausrichten konnten.
Kapitel 28
Singend zogen die Elfen bei Tagesanbruch unter Pfeifenklang und Trommelschlag aus Arborlon hinaus. Die Banner ihrer Regimenter flatterten bunt vor einem bleigrauen und wolkenverhangenen Himmel. Eventine Elessedil ritt an der Spitze seines Heeres. Das graue Haar fiel auf das Kettenhemd hinunter, das aus blauem Eisen geschmiedet war, und in seiner rechten Hand hielt er fest den silberweißen Stab des Ellcrys. An seiner Seite ritt Allanon, einem geisterhaften Schatten gleich, schwarz und gewaltig auf dem Rücken Artaqs, und es war, als sei der Tod aus den Tiefen der Erde emporgefahren, um über die Elfen zu wachen. In zweiter Reihe folgten die Söhne des Königs - Arion ganz in Weiß, die Kriegsflagge der Elfen tragend, einen
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