Shannara II
König noch immer bewußtlos lag, in traumlosem Schlaf eingefangen, weit entfernt vom Schmerz und der Realität, die seinen Sohn quälten. Verloren! Das Grimmzacken-Gebirge, das Sarandonan, seine Familie, sein Heer - alles! Er hatte das Gefühl, in ihm bräche etwas. Allanons Hand umfaßte hart seine Schulter. Ohne den Kopf zu erheben, nickte er.
»Wir brechen sofort auf.«
Mit gesenktem Kopf schritt er aus dem Zelt, um den Befehl zu geben.
Kapitel 33
Wil Ohmsford fand den Wildewald so abschreckend und bedrohlich, wie man ihn ihm geschildert hatte. Obwohl die Sonne hell und leuchtend vom Himmel gestrahlt hatte, als er und Amberle vom Steinkamm aufgebrochen waren, lag der Wildewald in tiefen Schatten und dämmriger Finsternis, von der Welt abgeschlossen durch Bäume und Buschwerk, so verwildert und verwachsen, daß es in dem Wirrwarr keinen Anfang und kein Ende zu geben schien. Knorrig und gebeugt ragten die massigen Stämme in die Höhe, auf denen Moos und Flechten wuchsen, und ihre Zweige krümmten sich wie Spinnenbeine. Sie waren von schmarotzenden Kletterpflanzen überwuchert, und ihre dornigen Blätter schimmerten wie weißglühendes Silber. Dürres Holz und welkes Laub bedeckten den Talboden und verrotteten langsam auf der dunklen Erde, die unangenehm weich und schwammig unter den Füßen gluckste. Der Wildewald, feucht von Moder und Fäulnis, hatte etwas Mißratenes, Entstelltes, Unnatürliches an sich. Es war, als hätte die Natur das Land und das Leben, das auf ihm wuchs, verkrüppelt und gesunden Wachstums unfähig gemacht, so daß es auf immer den modrigen Todesgeruch atmen mußte, der aus seinem eigenen langsamen Sterben aufstieg.
Aus vorsichtigen, ängstlichen Augen spähten Wil Ohmsford und Amberle Elessedil in die Finsternis rundum, während sie dem gewundenen Waldpfad folgten. Aus der Ferne hörten sie die nächtlichen Geräusche der Wesen, die im Dickicht des Waldes lauerten und jagten. Der Pfad war wie ein Tunnel, nur hier und dort von schwachen Lichtstrahlen erhellt, die irgendwie durch das Geschlinge der Äste eindrangen. Es gab keine Vögel in diesem Wald; das war Wil sogleich aufgefallen. Vögel würden niemals in solcher Finsternis leben, hatte Wil bei sich gedacht - jedenfalls nicht, solange sie die Möglichkeit hatten, im Sonnenlicht zu fliegen. Auch die anderen kleinen Tiere, die man sonst im Wald anzutreffen pflegte, fehlten; nicht einmal Schmetterlinge gab es. Die Wesen, die hier lebten, beließ man am besten in Finsternis, Nacht und Schatten: Fledermäuse mit ledrigen Flughäuten, Schlangen und gepanzerte Jäger, die sich von Ungeziefer nährten, das in stinkenden Tümpeln und schlammigen Sümpfen hauste; Katzenwesen, die flink und wendig auf lautlosen Pfoten durch das Gewirr der Bäume huschten. Ein- oder zweimal kreuzten ihre Schatten den Pfad, und Wil und Amberle verhielten ängstlich ihren Schritt. Doch so rasch wie sie aufgetaucht waren, verschwanden die Schatten wieder, verloren sich in der Schwärze des Dickichts, während die beiden Menschenkinder noch eine Weile mißtrauisch auf dem Pfad stehenblieben und dann weitereilten.
Einmal, als sie tief in den Dämmerschatten des Waldes eingedrungen waren, hörten sie das Rumoren irgendeines großen, massigen Wesens, das sich einen Weg zwischen den Bäumen bahnte und sogar die Äste so leicht knickte, als wären es dünne Zweiglein. Laut stieß sein schnaubender Atem durch die Stille. Es schien Wil und Amberle nicht zu sehen, während es da unsichtbar durch die Finsternis stampfte, vielleicht aber waren ihm die beiden kleinen Geschöpfe, die da zitternd auf dem Pfad standen, auch einfach nicht der Beachtung wert. Bedächtig schlurfte es davon. In der nachfolgenden Stille flohen Wil und Amberle wie von Furien gehetzt.
Nur wenigen Reisenden begegneten sie auf dem Weg durch den Wald. Alle außer einem waren sie zu Fuß unterwegs, und dieser eine hockte auf einer Schindermähre, die so mager und ausgezehrt war, daß sie eher wie eine Vision als wie ein Wesen aus Fleisch und Blut wirkte. In Umhänge und Kapuzen vermummt, schlichen die Reisenden einzeln oder in Paaren an ihnen vorüber, ohne ihnen einen Gruß zu bieten. Doch im Schutz ihrer Kapuzen wandten sie die Köpfe und blickten den beiden Eindringlingen mit dem kalten Interesse raubgieriger Katzen nach, als wollten sie den Zweck ihres Hierseins ergründen. Ein eiskaltes Gefühl der Angst beschlich die beiden unter diesen Blicken, und mehrmals sahen sie den vermummten Gestalten lange
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