Shannara II
oder Dämonen - ihr Ende finden würde.
Während er sprach, musterte er die Gesichter seiner Zuhörer, suchte in ihren Augen und Mienen einen Hinweis darauf, wie sie seine Handlungen seit dem Verlust des Königs und seines Thronfolgers beurteilten. Er war jetzt bereit, die Möglichkeit anzunehmen, daß sein Vater sterben und er dann König werden könnte; er wußte, daß auch der Hohe Rat und das Elfenvolk sich mit dem Gedanken an diese Möglichkeit vertraut machen mußten. Andor war es schwergefallen, sie ins Auge zu fassen, vor der Schlacht am Halys-Joch war sie ihm stets als reine Spekulation erschienen, und im übrigen hatte er nie glauben wollen, daß er eines Tages sowohl seinen Vater als auch seinen Bruder verlieren würde. Doch jetzt lag sein Vater im Herrenhaus auf dem Krankenlager, und nichts hatte sich an seinem Zustand seit dem Sturz verändert. Während der erbitterten Kämpfe am Baen Draw und auf dem langen Marsch nach Hause hatte Andor Elessedil unablässig darauf gewartet, daß sein Vater erwachen würde. Daß er vielleicht nie wieder erwachen würde, hatte er einfach nicht glauben wollen. Doch der König hatte bisher das Bewußtsein nicht wiedererlangt, und jetzt schien es, als würde er sich vielleicht nie mehr von seinem Krankenlager erheben. Der Elfenprinz begriff das und akzeptierte es und richtete deshalb seinen Blick über diese Tatsachen hinaus in die Zukunft zu dem, was dann sein mußte.
»Ihr Herren«, schloß er, und seine Stimme war müde und leer, »ich bin der Sohn meines Vaters, und ich weiß, was von einem Prinzen der Elfen erwartet wird. Das Elfenheer hat sich aus dem Sarandanon zurückgezogen und muß sich jetzt hier dem Kampf stellen. Ich habe die Absicht, mit ihm zu kämpfen. Ich habe die Absicht, es zu führen. Ich würde es nicht tun, wenn es einen Weg gäbe, diesen Augenblick ungeschehen zu machen, wenn alles, was sich innerhalb der letzten Wochen zugetragen hat, einfach ausgelöscht werden könnte. Aber das ist nicht möglich. Stünde jetzt mein Vater hier, so würdet Ihr Euch einmütig um ihn scharen - das weiß ich. So stehe ich denn an meines Vaters Stelle hier und bitte Euch, daß Ihr Euch auf meine Seite stellt, denn ich bin der Letzte seines Blutes. Diese Männer, die hier mit mir stehen, haben mir ihren Beistand bewiesen. Ich ersuche nun auch um den Euren. Gebt mir diesen Beistand, Edle der Elfen.«
Schweigend wartete er. Er wußte, daß er es nicht nötig gehabt hätte, sie um ihren Beistand zu bitten, daß er ihn einfach hätte fordern können. In seinen Händen lag die Macht des Hauses Elessedil, und es gab wenige, die es gewagt hätten, an ihr zu rütteln. Er hätte Allanon bitten können, für ihn zu sprechen; die Stimme des Druiden allein hätte vielleicht jede Opposition zum Schweigen gebracht. Doch Andor wollte keinen Vermittler, und er wollte auch nichts für selbstverständlich nehmen. Die Mitglieder des Hohen Rates und die Landesfremden, die gekommen waren, ihnen zu helfen, sollten ihm ihren Beistand aufgrund dessen geben, was sie vielleicht in ihm erblickten; nicht durch Furcht wollte er sie zwingen und nicht dadurch, daß er irgendwelche Rechte geltend machte, die nicht eine feste Basis in der Charakterstärke hatten, die er in der Führung des Elfenheeres seit der Verwundung seines Vaters gezeigt hatte.
Emer Chios erhob sich. Sein Blick aus dunklen Augen flog flüchtig über die Gesichter der Versammelten. Dann wandte er sich an Andor.
»Mein Prinz«, begann er mit tiefer, dröhnender Stimme. »Alle, die hier in diesem Saal versammelt sind, wissen, daß ich keinem Mann blindlings folge, sei er auch von königlichem Blut und das Kind von Königen. Ich habe häufig und in aller Öffentlichkeit gesagt, daß ich dem Urteil meines Volkes mehr vertraue als dem Urteil eines einzigen, sei er auch König der ganzen bekannten Welt.«
Er hielt einen Augenblick inne und blickte langsam in die Runde.
»Und doch bin ich Eventine Elessedils getreuer Minister und sein großer Bewunderer. Er ist ein König, Edle der Elfen, wie es ein König sein sollte. Ich wünschte, er könnte uns in diesen schlimmen Zeiten führen. Aber er vermag es nicht. Sein Sohn bietet sich an seiner Statt an. Ich kenne Andor Elessedil - ich glaube, ich kenne ihn besser als die meisten von Euch. Ich habe ihm zugehört; ich habe ihn nach seinen Worten und nach seinen Taten beurteilt, und ich sage jetzt, daß es in Abwesenheit unseres Königs nicht einen Mann gibt, dem ich mein Heimatland und
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