Shannara II
ängstlichen Eifers, während sein behaarter kleiner Körper sich in Wils Händen wand. Wil ging in die Knie und setzte seinen Gefangenen auf den Boden, hielt ihn aber weiterhin am Kragen fest.
»Jetzt hör mal genau zu, Wisp«, sagte Wil. »Ich möchte die Elfensteine zurückhaben, und du wirst mir zeigen, was die Hexe mit ihnen gemacht hat. Verstehst du?«
Wisp schüttelte heftig den Kopf.
»Wisp dient der Dame. Ihr könnt nicht fort!«
»In einer Schachtel sind sie, hast du gesagt.« Wil ging auf seinen Einwurf gar nicht ein. »Bring mich da hin, wo sie die Schachtel aufbewahrt.«
»Wisp dient der Dame! Wisp dient der Dame!« wiederholte der kleine Bursche voller Verzweiflung. »Ihr müßt bleiben! Geht zurück!«
Wil war ratlos. Da trat Eretria heran und neigte ihr dunkles Gesicht zu Wisp hinunter. Blitzend fuhr der Dolch aus ihrem Stiefel, und sie legte ihn dem kleinen Burschen an den Hals.
»Jetzt hör mal her, du kleiner Irrwisch«, sagte sie. »Wenn du uns nicht sofort zu den Elfensteinen bringst, dann schneide ich dir den Hals von einem Ohr zum anderen durch. Dann kannst du gar niemanden mehr dienen.«
Wisps Gesicht verzerrte sich vor Entsetzen.
»Tu Wisp nichts, du Hübsche. Wisp mag dich, du hübsches Ding. Er mag dich. Tu ihm nichts.«
»Wo sind die Elfensteine?« fragte sie, während sie dem kleinen Elf die Klinge noch fester an die Kehle drückte.
Plötzlich begann die Turmglocke zu schlagen - einmal, zweimal, dreimal, dann ein viertes Mal. Wisp ließ einen erschreckten Aufschrei hören und begann unter Wils Hand wieder heftig zu strampeln. Wil schüttelte ihn ärgerlich.
»Was ist los, Wisp? Was gibt’s?«
Hilflos sank der Kleine in sich zusammen. »Morag kommt«, wimmerte er.
»Morag?« Ein plötzliches Gefühl völliger Verzweiflung stieg in Wil auf. Was führte Morag plötzlich in die finstere Residenz ihrer Schwester? Hastig blickte er die anderen an, doch ihre Augen spiegelten nur die Verwirrung, die er selbst verspürte.
»Wisp dient der Dame«, wimmerte Wisp und begann zu weinen.
Eilig sah Wil sich um.
»Wir brauchen etwas, um ihm die Hände zu binden.«
Eretria riß sich die lange Schärpe herunter, die sie um die Taille trug, und band damit dem kleinen Burschen die Hände auf den Rücken. Wil nahm die lose herabhängenden Enden und wickelte sie sich um eine Hand.
»Jetzt hör mir zu, Wisp.« Er zog dem jammernden Elf den Kopf zurück, bis ihre Blicke sich trafen. »Hör mir zu!«
Wisp hörte zu.
»Du bringst uns jetzt in das Gemach, wo die Dame die Elfensteine aufbewahrt hat. Wenn du versuchen solltest davonzulaufen, oder jemanden zu warnen, dann weißt du wohl, was dir dann passiert?«
Er wartete geduldig, bis Wisp nickte.
»Dann sei also nicht so dumm, so etwas zu versuchen. So, und jetzt bring uns zu den Elfensteinen.«
Wisp wollte etwas entgegnen, doch gleich drohte Eretria wieder mit dem Dolch. Eingeschüchtert nickte der Kleine noch einmal.
»So ist es gut, Wisp.« Wil ließ seinen Kopf los. »Jetzt gehen wir.«
Hintereinander gingen sie los, Wisp an der Spitze und Wil direkt dahinter, fest die Schärpe in der Hand, mit der Wisps Arme gebunden waren. Eretria und Amberle folgten. Beinahe blind stiegen sie durch die Finsternis aufwärts, und nach einer Weile sahen sie in der Ferne ein Licht, in dessen Schein sie schwach die Konturen der Treppe erkennen konnten. Ein Zylinder ähnlich dem, der ihre Zelle erleuchtet hatte, tauchte auf, und sie gingen unter ihm hindurch. In der Ferne schimmerten noch mehr solcher Lampen durch die Dunkelheit.
Immer weiter ging es die Wendeltreppe des Turms hinauf. Von Zeit zu Zeit kamen sie an dunklen, leeren Korridoren vorüber und an Türen, die fest verschlossen waren, doch Wisp verlangsamte nicht einmal den Schritt. Die Glockenschläge waren verklungen; der Turm war in tiefes Schweigen eingehüllt. Der schwere Duft von Räucherwerk wurde stärker, je höher sie kamen. Er benebelte Wil und die beiden Mädchen, und sie bemühten sich, den Rauch möglichst nicht einzuatmen. Wil begann allmählich argwöhnisch zu werden. Vielleicht war Wisp durchtriebener als er schien.
Dann aber erreichten sie einen Treppenabsatz, und Wisp blieb stehen. Er wies in einen dämmrig erleuchteten Korridor, der ein kurzes Stück in den Turm hineinführte und vor einer schweren, eisenbeschlagenen Tür endete. Von jenseits der Tür waren Stimmen zu hören.
Wil neigte sich hastig zu ihm hinunter.
»Was ist, Wisp?«
Das alte Gesicht war ängstlich und
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