Shannara II
ausgreifender. Das Ungeheuer hatte sie fast eingeholt, ein finsteres Schreckgespenst, das plötzlich aus der Nacht aufzutauchen schien. Wil schloß die Augen und stieß erneut einen Schrei aus. Artaq wieherte wie zur Erwiderung, dann übersprang er mit einem gewaltigen Satz das Flüßchen. Sobald seine Hufe das andere Ufer berührten, jagte er aus den Wäldern und Feldern von Havenstead hinaus, dem offenen Flachland zu.
Sekundenlang ließ Wil die Augen geschlossen, klammerte sich nur blind an Artaqs Hals und überließ sich den sicheren Bewegungen des kräftigen Tieres, als dieses in die Nacht floh. Als er endlich den Kopf wieder hob und einen Blick nach rückwärts wagte, sah er, daß sie allein waren. Feuer und Rauch stiegen aus der Finsternis des Tals, und die Nacht erzitterte unter schrecklichem Jaulen und Winseln. Von den Dämonen-Wölfen war keine Spur zu sehen. Von Allanon allerdings auch nicht.
Ohne zu überlegen, zügelte Wil den Rappen mit heftiger Bewegung und riß ihn herum. Allanons Anweisungen waren klar und bestimmt gewesen. Unter keinen Umständen durfte er umkehren. Amberle mußte seine vordringlichste Sorge gelten. Sie war seinem Schutz anvertraut; sie mußte behütet werden um jeden Preis. Er warf einen raschen Blick auf das kindliche Gesicht hinter sich. Die grünen Augen blickten ihn fragend an. Er wußte, was er zu tun hatte. Und doch wußte er auch, daß der Druide noch im Tal war, inmitten der Ungeheuer, vielleicht in Gefahr. Wie konnte er ihn einfach im Stich lassen und davonreiten?
Nur einen Moment hielt seine Unschlüssigkeit an. Dann sah er Spitter, der wie von Furien gejagt aus dem Tal hervorschoß. Und tief über seinem Hals hing der Druide, dessen schwarze Gewänder sich im Wind bauschten, während hinter ihm der Himmel blutrot loderte. Dichtauf folgten die Dämonen-Wölfe mit gewaltigen zottigen Leibern und heulten ihren Haß auf die Menschen heraus, die ihnen entkommen waren.
Wil wandte Artaq ohne Verzug nach Norden und schlug ihm die Fersen in die Seiten. Schnaubend sprang der große Rappe vorwärts. Diesmal ließ Wil ihm nicht freien Lauf, sondern hielt ihn sorgfältig unter Kontrolle. Die Jagd würde vielleicht noch lange dauern, und auch die Kräfte des mächtigen Rappen hatten ihre Grenzen. Artaq widersetzte sich nicht, sondern folgte gehorsam seiner Führung. Wil beugte sich wieder nach vorn. Er spürte, wie Amberles Hände seine Körpermitte fester umspannten, während sie das Gesicht wieder an seinen Rücken drückte.
Eine Meile später holte Spitter sie ein. Der Körper des keuchenden Pferdes war schweißnaß, die Nüstern waren weit gebläht. Schon zeigte es Müdigkeit. Wil blickte voll ängstlicher Sorge zu Allanon hinüber, aber der Druide erwiderte den Blick nicht; seine dunklen Augen erforschten das Land, das sich vor ihnen auftat, während er mit flüchtigen Handbewegungen sein Pferd antrieb.
Die Jagd über die grasbewachsenen Ebenen der Landschaft am Silberfluß ging weiter und verlor nichts an grimmiger Entschlossenheit. Das rasende Geheul der Dämonen-Wölfe erstarb schnell; statt dessen hörten sie jetzt keuchenden, röchelnden Atem und wütendes Knurren ohnmächtigen Zorns. Sie galoppierten durch Talmulden, die sich zwischen sanften Hügeln öffneten, und über weite, öde Anhöhen, an Obsthainen vorüber und an einsam stehenden Eichen und Weiden - ohne Pause flogen sie durch die schweigende Finsternis des Flachlandes. Die Zeit hatte keine Bedeutung mehr. Nahezu ein Dutzend Meilen hatten sie schon hinter sich gebracht. Doch der Abstand zwischen ihnen und den Verfolgern blieb unverändert.
Endlich kam der Silberfluß in Sicht, ein breites Band mondfunkelnden Wassers, das zwischen den niedrigen Hügeln am Flußufer in der Dunkelheit aufblitzte. Wil sah den Fluß zuerst und stieß einen lauten Ruf aus. Beim Klang seiner Stimme sprang Artaq augenblicklich vorwärts und setzte sich wieder vor Spitter. Verspätet suchte Wil, ihn zurückzuhalten, doch der Rappe ließ sich diesmal nicht zügeln. Er lief noch immer leichtfüßig und mühelos und ließ den rasch ermattenden Spitter schnell zurück.
Die Lücke zwischen Artaq und jenen, die hinter ihm kamen, wurde größer. Wil mühte sich immer noch, den Rappen zu zügeln, als er die kauernden, dunklen Gestalten gewahrte, die unversehens aus der Nacht hervorbrachen - sich windende, schlängelnde Gestalten, die mit borstigem grauen Haar bedeckt waren. Dämonen! Wil spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Es war
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