Shannara II
mucksmäuschenstill.
»Guten Abend«, sagte Wil freundlich, als er die Gruppe von Männern erreichte, die ihnen den Durchgang ins Lager versperrte.
Die Männer antworteten nicht. Im tanzenden Schimmer des Feuers sah Wil Ohmsford das Blitzen eiserner Klingen.
»Wir haben euer Feuer gesehen und dachten, ihr könntet uns etwas Wasser geben«, fuhr er immer noch lächelnd fort. »Wir marschieren seit Tagesanbruch ohne Wasser und sind der Erschöpfung nahe.«
Ein hochgewachsener Mann in einem waldgrünen Umhang und einem breitkrempigen Hut - der Mann, den sie am Fluß gesehen hatten - drängte sich durch das Knäuel schweigender Männer.
»Ah, die jungen Reisenden von gestern abend«, stellte er ruhig fest, ohne sie zu begrüßen.
»Ach, guten Abend«, sagte Wil nochmals in aller Freundlichkeit. »Wir haben leider großes Pech gehabt. Im Lauf der Nacht ist uns unser Pferd abhanden gekommen - es ist offenbar ausgerissen, während wir schliefen. Nun sind wir den ganzen Tag ohne Wasser marschiert und wären dankbar für einen Schluck zu trinken.«
»Ah ja.« Der große Mann lächelte ohne Wärme. Er war sehr hochgewachsen, mager und grobknochig, mit einem dunklen Gesicht, das von einem schwarzen Bart umrahmt war. Er verlieh seinen Zügen eine solche Düsternis, daß sein Lächeln beinahe bedrohlich wirkte. Augen, schwärzer als die Nacht, blickten unter einer von Wind und Wetter gegerbten Stirn hervor, die in eine Hakennase überging. Mit beringter Hand winkte der Mann den anderen, die hinter ihm standen.
»Laßt Wasser bringen«, befahl er, den Blick noch immer auf den Talbewohner gerichtet. In seiner Miene regte sich nichts. »Wer seid Ihr, junger Freund, und wohin des Wegs?«
»Mein Name ist Wil Ohmsford«, antwortete der Talbewohner. »Dies ist meine Schwester Amberle. Wir sind auf dem Weg nach Arborlon.«
»Arborlon.« Nachdenklich wiederholte der hochgewachsene Mann diesen Namen. »Hm, ihr seid natürlich Elfen - das sieht jeder Blinde. Wenn auch vielleicht noch anderes Blut in eueren Adern fließt. Hm, ihr sagt, daß ihr euer Pferd verloren habt. Wäre es nicht klüger gewesen, dem Mermidon zu folgen, anstatt geradewegs nach Westen zu wandern?«
Wil ließ wieder sein Lächeln strahlen.
»Oh ja, daran haben wir auch gedacht; aber seht ihr, es ist von größter Wichtigkeit, daß wir Arborlon so bald wie möglich erreichen. Ein Fußmarsch würde viel zu lange dauern. Wir haben euch und eure Leute natürlich gestern abend am anderen Ufer gesehen und haben auch bemerkt, daß ihr eine Anzahl sehr schöner Pferde besitzt. Da dachten wir, daß ihr uns vielleicht eines eurer Pferde überlaßt, wenn wir euch etwas von Wert dafür geben.«
»Etwas von Wert?« Der hochgewachsene Mann zuckte die Schultern. »Vielleicht. Wir mußten natürlich erst einmal sehen, was Ihr uns zu bieten habt.«
Wil nickte. »Natürlich.«
Eine alte Frau erschien, die einen Krug Wasser und einen hölzernen Becher brachte. Sie reichte beides Wil. Er nahm es wortlos entgegen. Unter den Blicken der Fahrensleute goß er etwas Wasser in den Becher. Ohne ihn Amberle anzubieten, die ihn erstaunt anstarrte, trank er das Wasser hinunter. Dann schenkte er einen zweiten Becher ein und trank auch den aus. Als er fertig war, reichte er Amberle den leeren Becher und den Krug ohne ein Wort.
»Mir scheint, Ihr kennt die Sitte«, bemerkte der hochgewachsene Mann, und Interesse flackerte in seinen dunklen Augen auf. »Dann wißt Ihr auch, daß wir Fahrensleute sind.«
»Ja, ich habe schon Fahrensleute behandelt«, erwiderte Wil. »Ich bin ein Heilkundiger.«
Ein Murmeln pflanzte sich durch die Gruppe von Menschen fort, die seit dem Beginn des Gesprächs beträchtlich angewachsen war. Nahezu das vollständige Lager hatte sich jetzt versammelt, etwa dreißig Männer, Frauen und Kinder, alle in farbenprächtige seidene Gewänder mit bunten Bändern und Schals gekleidet.
»Ein Heilkundiger? Das ist eine Überraschung.« Der hochgewachsene Mann trat vor, zog mit schwungvoller Geste seinen Hut und verbeugte sich. Als er sich wieder aufrichtete, bot er Wil die Hand zum Gruß. »Mein Name ist Cephelo. Ich bin der Führer dieser Familie.«
Wil nahm die dargebotene Hand und schüttelte sie. Cephelo lächelte.
»Aber ihr solltet nicht hier draußen in der Kälte der Nacht stehen bleiben. Kommt mit mir. Auch Eure Schwester ist uns willkommen. Ihr seht mir beide aus, als könntet ihr ein Bad und ein kräftiges Mahl gebrauchen.«
Er führte sie durch das
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