Shannara II
den fünf anderen, die mit ihm am Tisch saßen. Seine Augen wanderten immer wieder rastlos und ungeduldig zu der geschlossenen Flügeltür am anderen Ende des Saales. Die Gedanken an Amberle beschäftigten seinen Geist. Obwohl sein Vater nicht von dem Mädchen gesprochen hatte, als er ihm von der Rückkehr Allanons berichtet hatte, war Andor überzeugt, daß es dem Druiden gelungen war, sie nach Arborlon zurückzubringen; sonst wäre diese Ratssitzung nicht in solcher Eile einberufen worden. Ebenso überzeugt war er, daß Allanon die Absicht hatte, Amberle vor den Hohen Rat zu bringen, um die Ratsmitglieder zu bitten, ihr die Suche nach dem Blutfeuer zu übertragen. Er war nicht sicher, wie die Ratsmitglieder darauf reagieren würden. Wenn der König sich dafür entschied, als erster zur Bitte des Druiden Stellung zu nehmen und sie seiner Unterstützung zu versichern, dann würden die anderen sich wahrscheinlich stillschweigend seinen Wünschen fügen - fest damit rechnen konnte man allerdings nicht angesichts der heftigen Emotionen, die Amberles Verhalten bei den Elfen ausgelöst hatte. Aber er glaubte ohnehin nicht, daß sein Vater das tun würde. Er würde sich vielmehr zuerst die Meinung der Männer anhören, die er im Rat zusammengerufen hatte, und dann entscheiden.
Andor streifte mit einem kurzen Blick seinen Vater. Wozu, fragte er sich plötzlich, würde er selbst raten? Er würde aufgefordert werden, seine Meinung zu sagen, wie aber konnte er hoffen, objektiv zu sein, wenn es um Amberle ging? Widerstreitende Gefühle stritten miteinander in seiner Brust. Liebe und Enttäuschung vermischten sich. Vielleicht, dachte er, war es am besten, wenn er schwieg. Vielleicht war es am besten, wenn er sich einfach dem Urteil der anderen anschloß.
Sein Blick glitt über die verschiedenen Gesichter. Abgesehen von Dardan und Rhoe, die draußen vor der Flügeltür Wache standen, war niemand sonst von dieser Sitzung unterrichtet worden. Es waren noch andere da, an die sein Vater sich hätte wenden können - gute, zuverlässige Männer. Doch er hatte sich für diese entschieden. Eine ausgewogene Wahl, dachte Andor bei sich, während er sich den Charakter jedes einzelnen vor Augen hielt. Aber welches Urteil würden sie fällen, wenn sie hörten, worum es ging?
Arion Elessedil saß zur Rechten seines Vaters, auf dem Platz, der dem Kronprinzen des Reiches vorbehalten war. Arions Rat würde der König zuerst suchen, wie er das immer tat, wenn eine wichtige Entscheidung anstand. Arion war die Stütze seines Vaters, und der alte Mann liebte ihn von ganzem Herzen. Seine Anwesenheit allein vermittelte Eventine ein Gefühl der Sicherheit, das er - Andor - ihm niemals geben konnte, mochte er sich noch so sehr bemühen. Doch Arion mangelte es an Mitgefühl, und es gab Zeiten, da zeigte er eine Starrköpfigkeit, die alle gesunde Einsicht verdrängte. Es war schwer vorherzusagen, wie er im Hinblick auf Amberle reagieren würde. Früher einmal hatte er sie geliebt, die einzige Tochter seines Bruders Aine. Doch das lag lange zurück. Mit dem Tod des Bruders hatten seine Gefühle sich gewandelt - hatten sich noch tiefer gewandelt mit Amberles Verrat an ihrer Aufgabe als Erwählte. Eine große Bitterkeit wohnte im Herzen des Kronprinzen, und sie hatte ihren Ursprung großenteils in der Kränkung, die Amberle dem König angetan hatte. Es war unmöglich zu sagen, wie tief diese Bitterkeit ging. Sehr tief, dachte Andor, und war beunruhigt.
Auf dem Sessel neben Arion hatte der erste Minister des Königs, Emer Chios, seinen Platz inne. Er war es, der in Abwesenheit des Königs den Vorsitz bei einer Ratsversammlung führte. Er war ein Mann, der es verstand, sich in seiner Rede klar auszudrücken, und man konnte sich darauf verlassen, daß er auch in diesem Fall offen und unmißverständlich seine Meinung äußern würde. Eventine und sein erster Minister waren zwar nicht immer einer Meinung, doch sie hatten große Achtung voreinander, und einer schätzte die Ansichten des anderen. Eventine würde den Worten seines ersten Ministers große Beachtung schenken.
Kael Pindanon, der Befehlshaber des Elfenheeres, war der älteste und engste Freund des Königs. Obwohl zehn Jahre jünger als der König, sah er mindestens um soviel älter aus. Sein Gesicht war so rissig und spröde wie dürres Holz. seine Gestalt so verwittert und knorrig wie ein aller Baum, aber gestählt von ständigem Kampf. Weißes Haar floß ihm über die Schultern herab, und ein
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