Shannara II
tonlos. »Ich kann nicht. Ich könnte es dir nicht begreiflich machen, selbst wenn ich es wünschte, selbst wenn ich - « Flehend sah sie Allanon an. »Warum habt Ihr mich hierher zurückgebracht, Druide? Das ist doch sinnlos. Ich bin hier nicht gelitten. Ich habe nicht den Wunsch hier zu sein. Ich habe Angst, versteht Ihr? Laßt uns nach Hause zurückkehren.«
»Du bist zu Hause«, entgegnete der Druide sanft, eine Traurigkeit in der Stimme, die vorher nicht dann mitgeschwungen hatte. Er blickte zu Arion hinüber. »Deine Fragen haben weder Sinn noch Zweck, Elfenprinz. Denke doch einmal nach über den Zweck dieser Fragen! Denke nach über ihre Quelle. Schmerz weicht Bitterkeit, Bitterkeit weicht Zorn. Reist man zu weit auf dieser Straße, dann verirrt man sich für immer.«
Er verstummte, und seine dunklen Augen richteten sich auf die Männer am Tisch.
»Ich will nicht behaupten, daß ich verstehe, was dieses Mädchen veranlaßte, ihr Volk zu verlassen. Ich will nicht behaupten, daß ich verstehe, was sie veranlaßte, ein Leben zu wählen, das so ganz anders war als jenes, das sie in Arborlon erwartete. Es ist nicht an mir, über sie zu richten, und es ist auch nicht an Euch. Was geschehen ist, ist abgeschlossen. Sie hat Mut und Entschlossenheit gezeigt, indem sie die Reise zurück nach Arborlon auf sich nahm. Die Dämonen haben von ihrer Existenz erfahren; sie haben sie verfolgt und gejagt. Sie machen noch immer Jagd auf sie. Sie hat Mühsal und Gefahr auf sich genommen, um nach Arborlon zurückzukehren. Soll das alles vergebens gewesen sein?«
Als Allanon von Gefahr sprach, flackerte Erschrecken in Eventines Augen auf. Andor erkannte es; es blitzte auf und erlosch wieder.
»Ihr hättet das Mädchen vor den Ellcrys führen können, ohne uns zu befragen«, bemerkte Emer Chios plötzlich. »Warum habt Ihr das nicht getan?«
»Amberle wünschte nicht, nach Arborlon zurückzukehren«, antwortete Allanon. »Sie kam zurück, weil ich sie davon überzeugte, daß es notwendig ist, daß sie ihrem Volk helfen muß, wenn sie es vermag. Nicht heimlich und verstohlen sollte sie hierher zurückkehren, sondern ganz offen. Und wenn sie vor den Ellcrys treten soll, dann mit Eurer Zustimmung.«
Er legte Amberle den Arm um die schmalen Schultern. Sie blickte zu ihm auf. Überraschung spiegelte sich in ihrem kindlichen Gesicht.
»Ihr müßt Euch entscheiden.« Die Miene des Druiden war unbewegt. »Wer von Euch ist bereit, sich an ihre Seite zu stellen, Ihr Herren Räte?«
Wieder legte sich Totenstille über den Saal. Wortlos starrten die Elfen und der Druide einander an, und ihre Blicke bohrten sich ineinander. Die zweite vermummte Gestalt saß ruhelos am anderen Ende des Tisches. Die Zeit verrann. Keiner der Räte erhob sich.
Dann spürte Andor Elessedil plötzlich, daß Allanon ihm direkt in die Augen sah. Ein unsichtbares Band spannte sich zwischen ihnen, beinahe wie ein Band des Verständnisses. Und in demselben Augenblick wußte Andor, was er zu tun hatte.
Langsam richtete er sich auf.
»Andor!« hörte er seinen Bruder rufen.
Er warf rasch einen Blick auf Arions dunkles Gesicht, sah die Warnung in den harten Augen, wandte sich wieder ab. Wortlos ging er um den Tisch herum zu Amberle. Ängstlich blickte sie zu ihm auf, einem scheuen Waldtier gleich, das zu sofortiger Flucht bereit ist. Behutsam legte er seine Hände auf ihre Schultern und beugte sich nieder, um ihre Stirn zu küssen. In ihren Augen schimmerten Tränen, als sie ihn umarmte.
Emer Chios erhob sich.
»Ich sehe keine Schwierigkeit, mich hier zu entscheiden, meine Herren«, wandte er sich an die anderen. »Die Möglichkeiten, die sich uns bieten, sollten wir nutzen.«
Damit trat er zu Andor und Amberle.
Crispin blickte Eventine flüchtig an. Der König saß noch immer wie gelähmt, und seine Miene war ohne Ausdruck, als er dem Blick des Hauptmanns begegnete. Crispin stand auf und trat neben Andor.
Der Rat war zu gleichen Teilen gespalten. Drei seiner Mitglieder standen bei Amberle; drei blieben am Tisch sitzen. Eventine sah Arion an. Der Kronprinz der Elfen begegnete dem Blick seines Vaters, richtete dann seine Augen voll Bitterkeit auf Andor.
»Ich bin nicht der Narr, der mein Bruder ist. Ich sage nein.«
Der König wandte sich an Pindanon. Das Gesicht des alten Kämpen war hart.
»Ich setze mein Vertrauen in das Elfenheer, nicht in dieses Kind.« Dann schien er zu zögern. »Sie ist Euer Fleisch und Blut. Ich werde mit Euch stimmen, mein
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