Shannara III
helfen?«
»Ich?« Der Holzfäller grinste schief und schüttelte den Kopf. »Ich bestimmt nicht, Mädchen. Selbst wenn ich euch begleitete - was ich freilich nicht mache, ich bin ja nicht lebensmüde -, wäre das kaum für euch von Nutzen, denn ich würde mich nach ein oder zwei Tagen verirren.«
Er machte eine Pause und musterte sie scharf. »Ihr seid wohl fest entschlossen?«
Brin nickte wortlos und wartete.
Der Waldbewohner seufzte. »Vielleicht gibt es da einen anderen, der euch helfen könnte - wenn ihr überzeugt seid, daß ihr das wollt.« Er blies kräftig durch den Stiel seiner Pfeife, um sie zu säubern, und verschränkte dann die Arme vor seiner breiten Brust. »Ich kenne einen alten Mann namens Cogline. Er muß inzwischen an die neunzig sein, falls er noch lebt. Ich habe ihn fast seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, so daß ich nicht einmal genau weiß, ob es ihn noch gibt. Aber vor zwei Jahren lebte er in der Nähe einer Felsformation mitten im Dunkelstreif, die man den Kamin nennt - eine Formation, die eben wie ein großer Schlot aussieht.« Er schüttelte voller Zweifel den Kopf. »Ich kann euch die Richtung zeigen, aber die Wege sind nicht sehr deutlich zu erkennen. Das ist eine wilde Gegend; so weit östlich lebt kaum ein menschliches Wesen außer den Gnomen.«
»Glaubt Ihr, er würde uns helfen?« bedrängte Brin ihn voll Erwarten.
Der Waldbewohner zuckte mit den Schultern. »Er kennt das Land. Er hat sein ganzes Leben dort zugebracht. Er verläßt es höchstens einmal im Jahr - und die vergangenen zwei Jahre nicht einmal das. Irgendwie schafft er es, in diesem Dschungel zu überleben.« Er hob die buschigen Brauen. »Er ist ein eigentümlicher Kauz, der alte Cogline. Verrückter als ein Esel auf dem Eis. Er könnte euch mehr Schwierigkeiten machen, als er euch hilft.«
»Wir werden schon zurechtkommen«, versicherte ihm Brin.
»Vielleicht.« Der Holzfäller musterte sie eingehend. »Du bist ein viel zu hübsches Ding, um in dieser Gegend herumzuziehen - auch wenn dein Gesang dich beschützt. Dort draußen gibt es mehr als Diebe und Feiglinge. Ich würde mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen, ehe ich weiterzöge.«
»Wir haben es uns reiflich überlegt.« Brin stand auf. »Unser Entschluß steht fest.«
Der Waldbewohner nickte. »Ihr könnt gerne soviel Wasser mitnehmen, wie ihr tragen könnt. So werdet ihr zumindest nicht verdursten.«
Er half ihnen, ihre Wasserbeutel aufzufüllen, und trug einen frischen Eimer Wasser von dem kleinen Bach, der aus den Hügeln hinter seiner Hütte vorbeifloß, und ließ sich dann noch ein paar Minuten Zeit, ihnen die Anweisungen zu erteilen, wie sie zum Kamin kämen, indem er eine große Skizze in den Boden vor der Veranda ritzte.
»Paßt auf euch auf«, mahnte er sie und schüttelte jedem kräftig die Hand.
Mit einem abschließenden Lebewohl schnürten Brin und Rone sich ihre Vorräte auf die Rücken und gingen langsam von dem kleinen Haus in den Wald hinein. Am Gesichtsausdruck des bärtigen Mannes war abzulesen, daß er nicht damit rechnete, sie jemals von dort wiederkehren zu sehen.
Kapitel 29
Sie marschierten diesen restlichen Tag und den nächsten und folgten den Schleifen und Windungen des Mangold-Stroms, wie dieser sich beständig tiefer in die Wälder des Anar schlängelte und den Dunkelstreif durchquerte. Rone kam allmählich wieder zu Kräften, hatte sich aber noch nicht ganz erholt, und so kamen sie nur langsam voran. Nach einer kurzen Mahlzeit am zweiten Abend legte er sich unmittelbar darauf schlafen.
Brin blieb am Feuer sitzen und starrte in die Flammen. Ihr Denken war immer noch beherrscht von unglückseligen Erinnerungen und finsteren Gedanken. Einmal, kurz ehe sie spürte, wie der Schlaf sie übermannte, hatte sie das Gefühl, Jair wäre bei ihr. Unwillkürlich schaute sie hoch und suchte ihn. Doch es war niemand zu sehen, und die Logik sagte ihr, daß ihr Bruder in Wirklichkeit weit entfernt war. Sie seufzte, schob die Asche auf das Feuer und kroch in ihre Decken.
Erst im Laufe des Nachmittags des dritten Tages nach ihrem Aufbruch von der Handelsstation sollten Brin und Rone eine eigentümliche Felsformation erblicken, die in der Ferne finster in die Höhe ragte, und sie wußten, daß sie den Kamin gefunden hatten.
Der Kamin wurde als eine dunkle Silhouette sichtbar, die sich vor dem Hintergrund sich wandelnder Herbstfarben kräftig abhob, und sein zerklüfteter Gipfel beherrschte das flache, bewaldete Tal, über dem
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