Shannara III
Mädchen, deren Herz größer war als ihre Kraft. Doch es blieb Tatsache, daß Cogline vermutlich ohne sie keinen Schritt machte. Hatte sie dann überhaupt das Recht, ihre Besorgnis um Kimber über das Vertrauen zu stellen, das Allanon ihr geschenkt hatte?
Das glaubte sie nicht.
»Dann ist wohl alles beschlossene Sache«, sagte Kimber leise.
Brin schaute ein letztes Mal zu Rone. Der Hochländer schüttelte hilflos und schicksalergeben den Kopf.
Brin wandte sich ab und lächelte müde. »Das ist es wohl«, stimmte sie zu und hoffte wider alle Vernunft, daß der Beschluß der richtige sein würde.
Kapitel 35
Sie brachen vom Kamin bei Sonnenaufgang des folgenden Tages auf und zogen nordöstlich durch das Waldland auf die dunkle Anhöhe des Tofferkamms zu. Sie kamen wie schon bei ihrem Marsch nordwärts zum Finsterweiher nur langsam voran. Die ganze Wildnis jenseits des Tales zwischen Rabenhorn und dem Rabb war ein tückisches Labyrinth schluchtenartiger Hohlwege und Steilhänge, die einem Unvorsichtigen leicht zum Verhängnis werden konnten. Mit fest auf den Rücken geschnürten Bündeln und an den Taillen gesicherten Waffen bahnten Brin, Rone, Kimber Boh und Cogline sich ihren Weg an diesem warmen, süß duftenden Herbsttag voller Geräusche und Farben. Wisper ließ sich nur gelegentlich sehen und begleitete sie zwischen den Bäumen ringsum. Die Mitglieder der kleinen Gruppe fühlten sich ausgeruht und munter, weit mehr, als es normalerweise der Fall hätte sein dürfen, nachdem sich ihre Diskussion vom vorangegangenen Abend bis in den frühen Morgen hingezogen hatte. Sie wußten, daß der fehlende Schlaf sie schließlich einholen würde, doch im Augenblick zumindest erfüllte sie die Spannung und Erregung ihrer Mission, und alle Spuren von Müdigkeit waren rasch verflogen.
Nicht so schnell verdrängen ließ sich dagegen Brins Gefühl von Unsicherheit darüber, Kimber und Cogline mitgenommen zu haben. Der Beschluß war gefaßt, das Versprechen gegeben und die Reise begonnen worden - und noch immer wollte die Ungewißheit, die sie vom ersten Augenblick an empfunden hatte, nicht nachlassen. Irgendwelche Zweifel und Befürchtungen hätte sie in jedem Falle gehegt, vermutete sie, schon aus ihrem Wissen heraus, welche Gefahren sie erwarteten und wegen der quälenden Prophezeiungen des Finsterweihers. Doch jene Zweifel und Ängste hatten ihr und Rone gegolten - Rone, dessen Entschlossenheit, ihr beizustehen, so stark war, daß sie sich schließlich damit abgefunden hatte, ihn niemals überreden zu können, sie allein zu lassen. Die Zweifel und Ängste galten, so wie sie jetzt bestanden, dem alten Mann und dem Mädchen. Ungeachtet aller Versicherungen hielt das Talmädchen keinen der beiden für stark genug, die Macht der schwarzen Magie zu überleben. Wie sollte sie es anders beurteilen? Es spielte keine Rolle, daß sie die ganzen Jahre in der Wildnis des Anar gelebt hatten, denn die Gefahren, denen sie nun begegnen würden, stammten nicht von dieser Welt und aus dieser Zeit. Welche Zauberkräfte oder Lehrsätze hofften sie anzuwenden, um die Mordgeister niederzuringen, wenn sie den Wandlern das nächste Mal über den Weg liefen?
Die Vorstellung, die Macht der Mordgeister gegen das Mädchen und den alten Mann gerichtet zu sehen, erschreckte sie. Sie erschreckte sie mehr als alles, was sie sich ausmalen konnte, das ihr selbst widerführe. Wie könnte sie in dem Bewußtsein weiterleben, daß sie sie mit auf diese Reise genommen hatte, wenn diese ihnen den Tod bringen würde?
Und doch wirkte Kimber sich ihrer selbst und ihres Großvaters so sicher. Sie empfand weder Furcht noch Zweifel. In ihr existierten nur Selbstsicherheit, Entschlossenheit und jenes unerschütterliche Gefühl einer Verpflichtung gegenüber Brin und Rone, das Triebfeder für alles war, was sie bislang unternommen hatte.
»Wir sind Freunde, Brin, und Freunde tun füreinander, was sie als notwendig erachten«, hatte das Mädchen in den vorgerückten Stunden der vergangenen Nacht gesagt, als ihre Unterhaltung zum Flüstern wurde. »Freundschaft ist ebenso eine innere Empfindung wie ein offenes Versprechen. Man empfindet Freundschaft und fühlt sich durch sie verpflichtet. Das hat Wisper zu mir gezogen und mir seine Treue eingebracht. Ich liebte ihn ebenso, wie er mich liebte, und jeder fühlte das beim anderen. Bei euch habe ich das auch empfunden. Wir werden Freunde werden, wir alle, und wenn wir Freunde werden, dann müssen wir in unserer
Weitere Kostenlose Bücher