Shannara III
her an ihr vorüber und schnatterten besessen. Ein paar wollten mit ihren behaarten Gliedmaßen nach ihr greifen, hakten ihre verwachsenen Finger in ihre Kleider und zerrten daran. Sie schlug heftig nach ihnen, riß sich los und lief weiter, um die anderen einzuholen. Aber es waren zu viele. Sie bedrängten sie von allen Seiten. In ihrer Verzweiflung setzte sie das Wünschlied ein; der seltsame, betäubende Schrei schleuderte sie unter entsetztem Aufheulen von ihr fort.
Dann stürzte sie mit dem Gesicht nach unten ins hohe Gras, daß ihr Schmutz in Augen und Mund drang. Etwas Schweres hatte sie angesprungen, und eine Masse von Sehnen und Haar schlang sich dicht um sie. In diesem Augenblick verlor sie die Beherrschung über sich, und Angst und Ekel bemächtigten sich ihrer so stark, daß sie nicht mehr vernünftig denken konnte. Sie taumelte auf Hände und Knie hoch, doch das Ding, das sie nicht sehen konnte, hielt sie immer noch umklammert. Sie setzte das Wünschlied mit aller Raserei ein, die sie aufbieten konnte. Es brach wie eine Explosion von ihren Lippen, und das Wesen auf ihrem Rücken wurde in Stücke gerissen, zerfetzt von der Macht des Zaubers.
Dann fuhr Brin herum und sah, was sie getan hatte. Ein Spinnengnom lag zerschlagen und tot auf den Felsen hinter ihr, und wirkte im Tode eigentümlich klein und zerbrechlich. Sie starrte die zerschmetterte Gestalt an und empfand für einen kurzen Augenblick ein seltsames, furchterregendes Gefühl von Triumph.
Dann verwarf sie diese Anwandlung sogleich. Ohne einen Laut hervorbringen zu können und vom Entsetzen übermannt, drehte sie sich um und lief blindlings ohne jeden Orientierungssinn in den Rauch. »Rone!« schrie sie.
Sie flüchtete in die Nebelwand, die sich vor ihr erhob, und verschwand außer Sicht.
Kapitel 36
Es war, als wäre die Welt untergegangen.
Ringsum herrschte nur Nebel. Mond, Sterne und der Himmel waren verschwunden. Die Bäume des Waldes, Berggipfel, Kammlinien, Täler, Felsen und Bäche waren fort. Selbst der Boden, über den Brin lief, war ein verschwommenes, gestaltloses Ding, dessen Gräser ein Teil des wogenden, grauen Schleiers waren.
Sie war allein in der weiten, verlassenen Einöde, in die sie sich geflüchtet hatte.
Sie kam erschöpft und wankend zum Stehen und schlang die Arme eng um ihren Körper; ihr Atem klang ihr heiser und stoßweise in den Ohren. Lange Zeit stand sie im Nebel, rührte sich nicht und war sich selbst jetzt nur vage bewußt, daß sie bei ihrer Flucht aus dem Tiefland die Orientierung verloren hatte und ins Altmoor gelaufen war. Ihre Gedanken zerstreuten sich wie windgepeitschte Blätter, und obgleich sie sie verzweifelt zu fassen suchte, um sie zu halten und zusammenzufügen, entwischten sie ihr fast augenblicklich. Ein einziges klares, schwer zu ertragendes Bild blieb vor ihrem geistigen Auge haften: ein verkrümmter, zerschmetterter, lebloser Spinnengnom.
Ihre Augen schlossen sich zum Schutz gegen das Licht, und ihre Hände ballten sich zornig zu Fäusten. Sie hatte genau das getan, was sie behauptet hatte, niemals zu tun. Sie hatte ein Menschenleben vernichtet, es zerstört in einer Raserei aus Angst und Wut und dazu das Wünschlied benutzt. Allanon hatte sie gewarnt, daß dieser Fall eintreten könnte. Sie hörte seine geflüsterte Mahnung: »Talmädchen, das Wünschlied bedeutet Macht, wie ich sie niemals zuvor erlebt habe. Der Zauber kann Leben schenken und Leben zerstören.«
»Aber ich würde die Magie niemals benutzen…«
»Die Magie benutzt alle, Kind der Finsternis - selbst dich!«
Es war Finsterweihers Warnung und nicht die Allanons, die sie nun verhöhnte, und sie verdrängte sie aus ihren Gedanken.
Sie richtete sich auf. Es war nicht so, daß sie nicht irgendwo tief in ihrem Innern gewußt hätte, daß sie eines Tages gezwungen sein könnte, den Zauber des Wünschliedes einzusetzen, wie Allanon sie gewarnt hatte. Sie hatte die Möglichkeit von dem Augenblick an erkannt, da er ihr das Ausmaß seiner Macht bei jener simplen Demonstration mit den verwachsenen Bäumen im Runne-Gebirge vorgeführt hatte. Es war nicht so, daß der Tod des Spinnengnomen sie als erschreckende und unerwartete Entdeckung traf.
Das Schlimme war vielmehr, daß ein Teil ihres Ichs ihr Tun genossen hatte; daß ein Teil ihrer selbst Spaß am Töten gefunden hatte, das entsetzte sie.
Ihre Kehle schnürte sich zu. Sie mußte sich an das plötzliche, flüchtige Triumphgefühl beim Anblick der zerschmetterten Gestalt des
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