Shannara III
unbedeutende Zauberei, behauptete er. Wenn der Gestank auch nicht völlig abgetötet werden konnte, so wurde er doch erträglicher. Aus Reisig fertigte er kurze Fackeln; er tauchte die Enden in den Inhalt eines zweiten Beutels, und als er sie herauszog, waren sie von einer silbrigen Substanz überzogen, die wie das Licht von Öllampen schimmerte, als sie sie in die Dunkelheit der Höhlen mitnahmen - und das ohne alles Feuer.
»Nur ein weiterer Trick meiner Magie, Ausländer.« Er kicherte, als die anderen verwundert die flammenlosen Fackeln anstarrten. »Chemikalien, weißt du noch? Etwas, wovon die Wandler nichts verstehen. Und ich habe noch ein paar Überraschungen. Ihr werdet sehen.«
Rone zog voller Zweifel die Stirn kraus und schüttelte den Kopf. Brin schwieg, kam aber schnell zu dem Schluß, daß sie ebenso froh wäre, wenn die Gelegenheit, solche Überraschungen zu zeigen, erst gar nicht eintrete.
Mit den Fackeln in den Händen wagte die kleine Gesellschaft sich aus dem Licht der Morgendämmerung in die dunklen Tunnel der Kanalisation. Die Gänge waren breit und tief, das flüssige Gift, das von Graumarks Hallen und dem Maelmord ausgeschieden wurde, floß in einem furchigen Kanal, der tief in den Tunnelboden eingeschnitten war. Zu beiden Seiten des Abwasserstroms verliefen steinerne Wege, die breit genug waren, daß man sie begehen konnte. Wisper trottete vorweg; seine leuchtenden Augen blinzelten schläfrig in das blendende Fackellicht, seine gespreizten Pfoten tappten lautlos über den Stein. Ihm folgten Cogline und Kimber, Brin und Rone bildeten die Nachhut.
Sie gingen lange Zeit. Brin hatte das Gefühl für die Dauer ihres Marsches verloren, und sie war hin- und hergerissen zwischen der Aufgabe, im schummrigen Zwielicht ihren Weg zu finden und dem Nachdenken über ihr Gelübde, ohne die anderen in den Maelmord hinabzusteigen. Der Kanal wand sich durch das Berggestein höher und drehte sich wie eine zusammengeringelte Schlange. Der Gestank, der in dem Tunnel herrschte, war selbst mit dem Gegenmittel, das Cogline ihnen gegen ihre Atemschwierigkeiten zur Verfügung gestellt hatte, schier unerträglich. Von Zeit zu Zeit wehte ein kalter Luftzug von oben herab und nahm den Geruch der Abwässer mit sich - es war der Wind von den Berggipfeln, in die sie emporstiegen. Doch diese Erfrischungen waren selten und nur kurz anhaltend, und der Gestank kehrte rasch wieder zurück.
Der Morgen verging, die Stunden verstrichen im endlosen Zickzack ihres Aufstiegs. Einmal gelangten sie an ein starkes Eisentor, das sich über den Gang spannte und allem, was größer war als eine Ratte, den Zutritt verwehrte. Rone griff nach seinem Schwert, aber ein scharfes Wort von Cogline ließ ihn innehalten. Ein triumphierendes Kichern brach von den Lippen des alten Mannes, als er ihnen Zeichen gab, zurückzutreten, und wieder einen anderen Beutel hervorzog - der diesmal ein seltsames, schwärzliches Pulver enthielt, dem etwas beigemischt war, das wie Ruß aussah. Er tupfte von dem Pulver an die Gitterstäbe, wo die im Fels verankert waren, und tippte die behandelten Stellen schnell mit der flammenlosen Fackel an, worauf der Puder grellweiß aufleuchtete. Sobald das Licht erlosch, waren die Gitterstäbe völlig durchgetrennt. Nach einem kräftigen Schubs brach das gesamte Gitter auf den Höhlenboden. Die Gesellschaft setzte ihren Marsch fort.
Keiner sprach während des Aufstiegs ein Wort. Statt dessen lauschten sie auf Geräusche des Gegners, der sie irgendwo dort oben erwarten mußte - die Wandler und die Wesen, die ihnen dienten. Sie hörten nichts von ihnen, aber da waren andere Laute, die durch die leeren Gänge hallten - Laute, die von weit oben kamen und nicht sogleich zu deuten waren. Da erklang Poltern und Dröhnen, als wären schwere Körper gefallen, Scharren und Kratzen und ein leises Heulen, als pfiffe ein heftiger Wind von den Berggipfeln durch die Tunnel, und ein Zischen, als entwiche einem Spalt in der Erde Dampf. Diese entfernten Geräusche erfüllten und betonten gleichermaßen die ansonsten völlige Stille der Abwasserschächte. Brin beobachtete sich selbst dabei, wie sie eine Erklärung für die Geräusche suchte, doch es gab keine - außer vielleicht für das Zischen, das mit besonderer Regelmäßigkeit lauter und leiser wurde. Es erinnerte Brin unangenehm an das Aufsteigen des Finsterweihers aus dem Teich und dem Nebel.
Ich muß eine Möglichkeit finden, den Weg allein fortzusetzen, dachte sie wieder einmal.
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