Shannara III
reglos sitzen. Schließlich trat das Mädchen zurück.
»Brin ist wohlauf«, informierte sie ihn mit einem knappen Lächeln. »Sie ist in die Grube hinuntergestiegen.«
Rone nickte erleichtert. »Dann muß ich auch dorthin.«
Doch das Mädchen schüttelte den Kopf. »Du mußt hierbleiben, Hochländer.«
Rone starrte sie an. »Hierbleiben? Das kann ich nicht. Brin ist allein dort unten! Ich werde sie suchen!«
Doch das Mädchen schüttelte wieder den Kopf. »Du kannst nicht. Sie will nicht, daß du das tust. Sie hat das Wünschlied benutzt, um das zu verhindern. Sie hat Wisper zu ihrem Wächter gemacht. Niemand darf vorbei - nicht einmal ich.«
»Aber er ist dein Kater! Sorg dafür, daß er Platz macht! So stark ist der Zauber doch nicht, oder?«
Sie betrachtete ihn und ihr Koboldgesicht strahlte Gelassenheit aus. »Es ist nicht nur der Zauber. Die Zauberkraft wirkt bei ihm nicht; wohl aber sein Verstand. Er weiß, daß jede Gefahr, die im Tal lauert, zu groß ist. Er wird dich nicht vorbeilassen.«
Der Hochländer wendete kein Auge von dem Mädchen, Zorn und Ungläubigkeit zeichneten sein Gesicht. Sein Blick wanderte zu der riesenhaften Katze und zurück.
Was sollte er jetzt tun?
Euphorie durchdrang Brin, flutete in warmem Schwall über sie hinweg und durchströmte sie, als wäre sie ihr ureigenster Lebenssaft. Sie fühlte, wie sie davon hinabgerissen wurde wie ein winziges Blatt von den Wassern eines großen Flusses. Sehen, Hören und Schmecken vermischen sich zu einer berauschenden Mixtur wilder Phantasien, einige hell und schön, andere böse mißgestaltet und alle in dem wechselnden Auf und Ab ihres geistigen Auges. Nichts war wie zuvor, sondern neu, exotisch und von wundersamem Leben erfüllt. Es war eine Reise der Selbstentdeckung, wie sie Denken und Fühlen überstieg und aus sich selbst heraus ihre Daseinsberechtigung hatte.
Sie sang, und die Melodie des Wünschliedes waren die Speise und der Trank, die sie nährten, bei Kräften hielten und ihr Leben verliehen.
Nun befand sie sich tief im Maelmord, weit von der Treppe des Croagh und der Welt entfernt, die sie zurückgelassen hatte. Hier existierte eine völlig andere Welt. Als sie sich mühte, eins mit ihr zu werden, reckte sie sich Brin entgegen und zog sie an sich. Gestank, Hitze und die Fäulnis des Lebenden umschlangen sie und entdeckten in ihr ihr Kind. Knorrige Äste, verdrehte, fleckige Ranken und hohe Halme von Gestrüpp und Unkraut streichelten ihren Leib, als sie vorüberschlüpfte, genossen die Lebhaftigkeit ihres Gesangs und fanden darin ein Elixier, das ihnen das Leben wiederschenkte. Aus großer Ferne fühlte Brin ihre Liebkosungen und lächelte zur Antwort.
Es war, als hätte sie aufgehört zu existieren. Ein winziger Teil von ihr wußte, daß sie hätte entsetzt sein müssen über die Dinge, die sich da so liebevoll nach ihr reckten und an ihr rieben. Doch sie ging nun in der Musik des Wünschliedes auf und war nicht mehr jene, die sie gewesen war. Alle die Empfindungen und Überlegungen, welche die ihren gewesen waren, die sie zu der gemacht hatten, die sie war, waren verschleiert von der schwarzen Magie, und sie wurde zu einem Wesen, das mit dem identisch war, in das sie jetzt eintauchte. Sie war ein verwandter Geist, der von einem fernen Ort zurückgekehrt war, und das Böse in ihr war ebenso stark wie das Böse, das sie erwartete. Sie war so unheilvoll geworden wie der Maelmord und das Leben, das hier keimte. Sie war eins mit ihm. Sie gehörte dazu.
Ein kleiner Teil in ihr begriff, daß es die Brin Ohmsford von einst nicht mehr gab und daß sie vom Zauber des Wünschliedes neu erschaffen worden war. Er verstand, daß sie sich selbst zu dem anderen Wesen hatte werden lassen - einem so abstoßenden Wesen, wie sie es ansonsten nicht hätte ertragen können - und daß sie nicht zu sich selbst zurückkehren würde, ehe sie ihren Weg zum Kern des Bösen gefunden hätte, das sie umgab. Die Euphorie, das Hochgefühl, welche die furchterregende Macht des Wünschliedes hervorgerufen hatte, drohte, sie sich völlig zu entfremden, ihr alle Vernunft zu rauben und sie für ewig zu dem zu machen, als das sie sich ausgab. All die eigentümlichen, wundersamen Phantasien waren nichts als Zierwerk des Wahnsinns, der sie auslöschen würde. Von ihrem ehemaligen Ich blieb nur ein kleiner Rest, den sie sorgfältig verschlossen aufbewahrte. Alles übrige war zum Kind des Maelmords geworden.
Die Mauer des Dschungels wich beiseite und schloß
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