Shannara III
miterlebt.
Sie starrte einen Augenblick erwartungsvoll darauf hinab und genoß die tiefe Befriedigung darüber, das Buch schließlich zum Greifen nahe zu haben.
Dann streckte sie die Hände aus und umschloß es fest.
- Kind der Finsternis -
Die Stimme flüsterte leise in ihrem Innern, und ihre Finger klebten auf den angelaufenen Beschlägen.
- Kind der Finsternis -
Das Wünschlied erstarb zu einem Flüstern und verstummte ganz. Ihre Kehle schnürte sich zu und erstickte die Musik, fast ehe sie begriff, was sie da getan hatte. Sie stand schweigend vor dem Altar mit eng um das Buch geklammerten Händen. Ein Nachhall der Stimme zog fetzenweise durch ihr Denken, griff wie Tentakel nach ihr und fesselte sie, daß sie sich nicht rühren konnte.
- Ich habe auf dich gewartet, Kind der Finsternis. Ich habe gewartet, seit du, Kind des Elfenzaubers, das Licht der Welt erblicktest und den Schoß deiner Mutter verließest. Wir beide, du und ich, waren stets durch stärkere Bande als die des Blutes, die des Fleisches verknüpft. Viele Male haben wir uns Geist an Geist berührt, und obgleich ich dich niemals kennenlernte und niemals deinen Weg kannte, wußte ich doch immer, daß du eines Tages kommen würdest. -
Die Stimme klang unmoduliert und flach, war weder die eines Mannes noch die einer Frau, sondern eines Wesens, dem beide Geschlechter innewohnten, war bar aller Empfindungen und allen Gefühls, so daß ihr Flüstern eine Leere ausdrückte, die alles Leben entbehrte. Brin lauschte auf diese Stimme und war von Eiseskälte durchströmt. Tief in ihrem Innern zuckte das Ich, das sie noch barg und versteckt hielt, vor Entsetzen zurück.
- Kind der Finsternis -
Sie ließ rasch den Blick durch das schummrige Licht des Raumes schweifen. Wo war der Sprecher, der sich an sie wandte? Was war das für ein Wesen, das sie so in seinen Bann schlug? Ihr Blick wanderte mit Grauen zu dem Buch, das sie in Händen hielt. Ihre Finger waren weiß von der festen Umklammerung, und der lederne Einband verstrahlte sengende Hitze.
- Ich bin, Kind der Finsternis. Ebenso wie du. Ich besitze Leben. Es ist immer so gewesen. Stets existierten jene, die mir Leben verleihen wollten. Stets gab es jene, die mir das ihre schenkten. -
Brin öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor. Das sengende Gefühl stieg von ihren Händen in die Arme und weiter hoch.
- Erkenne mich. Ich bin der Ildatch, das Buch der schwarzen Magie aus dem Zeitalter der Feenwesen. Ich bin älter als die Elfen - so alt wie der König vom Silberfluß, so alt wie die Welt. Die mich erschufen, die mir Gestalt verliehen, sind mit dem Auftauchen der Welt der Feen und des Menschen längst verschwunden. Einst war ich nur ein Teil der Welt, den man vor aller Augen verbarg und nur im Finstern erwähnte. Ich war lediglich eine Sammlung von Geheimnissen. Dann nahm diese Sammlung Gestalt an, als jene sie niederschrieben und studierten, die meine Macht kennenlernen wollten. Es hat immer solche gegeben, die sie angestrebt haben. Durch alle Zeitalter hindurch bin ich für sie präsent gewesen und habe jenen meine Geheimnisse offenbart, die daran teilhaben wollten. Ich habe Geschöpfe aus Zauberei geschaffen und ihnen Macht verliehen. Doch niemals war da jemand wie du -
Die Worte verhallten in erwartungs- und verheißungsvollem Flüstern, und das Talmädchen fühlte sie wie umhergewehtes Laub durch ihr Denken trudeln. Die sengende Hitze durchströmte nun ihren ganzen Körper und prickelte wie die Heißluft, die einem aus einer aufgerissenen Ofentür entgegenschlägt.
- Es gab viele vor dir. Von den Druiden stammten der Dämonen-Lord und die Schädelträger. Sie fanden in mir die Geheimnisse, die sie suchten, und wurden zu dem, was sie anstrebten. Doch ich war die Macht. Aus den von anderen Rassen ausgestoßenen Menschen wurden die Mordgeister, als die Saat schon gesät war. Aber wieder stellte ich allein die Macht dar. Immer stelle ich die Macht dar. Jedesmal haben die Betreffenden eine überragende Vorstellung, was aus der Welt und ihren Geschöpfen zu werden hat. Jedesmal verleihen die geistigen Kräfte jener, welche die innerhalb meiner Seiten gebannte Macht benutzen wollen, dieser Vision Gestalt. Und jedesmal erweist sie sich als unzulänglich, und der Bildner scheitert an der selbstgestellten Aufgabe. Kind der Finsternis, wirf nun einen Blick darauf, was ich zu bieten vermag -
Wie aus eigenem Willen schlugen Brins Hände vorsichtig den Ildatch auf, und seine Pergamentblätter
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