Shannara IV
Shannara. Wenn Par oder seine Gefährten versuchten, ihn in ein Gespräch darüber zu verwickeln, antwortete er entweder, daß Zeit Rat bringe oder daß sie sich in Geduld fassen müßten. Da er dauernd Fröhlichkeit zur Schau trug, hielten sie mit ihren Gefühlen hinter dem Berg.
Außerdem waren sie, ungeachtet der Behandlung, die ihnen der Anführer der Geächteten angedeihen ließ, keineswegs Gäste, sondern Gefangene. Es war ihnen zwar gestattet, den Felsen zu erkunden, aber nicht, ihn zu verlassen. Die Winden, mit denen die Lasten zum und vom Parmakeil befördert wurden, waren jederzeit scharf bewacht, und niemand durfte sich ihnen ohne triftigen Grund nähern. Und ohne die Aufzüge, die sie nach unten befördert hätten, gab es keine Möglichkeit, den Hang zu verlassen. Die Felswand fiel senkrecht nach unten ab, und die hinter ihnen stieg ebenfalls steil an.
Es blieben also die Höhlen. Par und seine Freunde wagten sich am ersten Tag in die Haupthöhle, da sie erfahren wollten, was sich im Innern befand. Sie stellten fest, daß sich die riesige, kathedralartige Höhle in Dutzende von kleineren Höhlen verzweigte, in denen die Geächteten ihre Vorräte und Waffen aller Art aufbewahrten, und daß sie ihnen bei schlechtem Wetter als Unterschlupf sowie als Übungs- und Versammlungsraum diente. Tunnels erstreckten sich in den Berg hinein, deren Eingänge jedoch versperrt waren und bewacht wurden. Als Par Hirehone, der sich entschlossen hatte, noch einige Tage zu bleiben, fragte, wohin die Tunnels führten, lächelte der Herr der Kiltan-Schmiede hämisch und erklärte ihm, daß die Tunnels ebenso wie die Pfade zum Parmakeil ins Paradies führten.
Die zwei Tage vergingen dennoch recht schnell. Par, Coll und Morgan verbrachten die meiste Zeit miteinander. Steff schloß sich ihnen gelegentlich an, doch Teel blieb wie eh und je für sich. Mit der Zeit gewöhnten sich die Geächteten an den Anblick Pars, Colls und des Hochländers, die über den Hang und die Befestigungsanlagen wanderten und begutachteten, was der Mensch und die Natur gemeinsam geschaffen hatten, die mit den Männern, die hier lebten und arbeiteten, sprachen und von jeder neuen Entdeckung fasziniert waren.
Aber nichts und niemand war faszinierender als Padishar Creel. Der Anführer der Geächteten war ein Widerspruch in sich. Da er leuchtend rote Gewänder trug, war er für jeden auf dem Hang jederzeit mühelos zu erkennen. Er redete ununterbrochen, erzählte Geschichten, rief Befehle und tat seine Meinung kund zu allem, was ihm in den Sinn kam. Er schien unablässig fröhlich, so als sei Lächeln sein einziger Gesichtsausdruck. Dennoch verbarg sich hinter diesem heiteren Äußeren ein Kern so hart wie Stein. Wenn er eine Anordnung aussprach, wurde sie sofort ausgeführt. Keiner wagte es, ihn zu kritisieren.
Er führte das Lager mit Organisationstalent und Disziplin. Es handelte sich hier keinesfalls um einen lärmenden Haufen von Nichtstuern. Alle Bestände waren so gelagert, daß sie jederzeit greifbar waren. Jeder war mit einer Aufgabe betraut, und jeder sorgte dafür, daß er diese Aufgabe zufriedenstellend ausführte. Mehr als dreihundert Männer lebten auf dem Felsen, und keiner schien auch nur im entferntesten an dem zu zweifeln, was er tat, oder daran, wer ihn, falls er Unrecht tat, zur Verantwortung ziehen würde.
Am zweiten Tag ihres Aufenthalts wurden zwei der Geächteten vor Padishar Creel gebracht, weil sie angeklagt waren, gestohlen zu haben. Der Anführer der Geächteten hörte sich mit sanftem Gesichtsausdruck die Beweise an, die gegen sie vorgebracht wurden, bevor er die Angeklagten bat, sich zu verteidigen. Der eine gestand seine Schuld sofort, der andere leugnete sie auf wenig überzeugende Art und Weise. Padishar Creel ließ den ersten auspeitschen und schickte ihn dann zur Arbeit zurück, den zweiten ließ er in den Abgrund werfen. Keiner im Lager schien sich hinterher über die Angelegenheit große Gedanken zu machen.
Etwas später kam Padishar Creel zu Par, als dieser allein war, und fragte ihn, ob ihn das, was geschehen war, sehr beschäftige. Ohne jedoch Pars Antwort abzuwarten, fing er sofort an zu erklären, wie notwendig Disziplin in einem Lager wie dem seinen sei und daß eine Verurteilung im Falle eines Vergehens rasch erfolgen müsse.
Danach wandte er sich unvermittelt einem anderen Thema zu; ziemlich reumütig gestand er Par, daß er in der ersten Nacht nicht ganz ehrlich gewesen sei und seine Eltern in Wahrheit
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