Shannara IV
weg war.«
Par und seine Gefährten starrten den Anführer der Geächteten erstaunt an.
»Die Tatsache, daß das Schwert von Shannara verschwunden ist, heißt noch lange nicht, daß es irgendwo anders hingebracht wurde, verstehst du? Manchmal scheint etwas verschwunden und befindet sich trotzdem vor unserer Nase. Es kann einfach verschwinden, weil es nicht mehr so aussieht, wie es einmal ausgesehen hat. Wir sehen es, aber wir erkennen es nicht.«
»Was sagst du da?« fragte Par langsam.
Padishar Creels Lächeln überzog sein ganzes Gesicht. »Ich sage, daß es gut möglich ist, daß das Schwert von Shannara sich immer noch dort befindet, wo es sich vor dreihundert Jahren befunden hat.«
»All die Jahre eingepflanzt in einen Block mitten im Volkspark von Tyrsis, und keiner weiß davon?« Morgan Leah war entsetzt. »Wie ist so etwas möglich?«
Padishar Creel nippte nachdenklich an seinem Bier und sagte: »Wir werden morgen dort sein. Dann werden wir sehen.«
Par Ohmsford war müde vom langen Marsch, lag jedoch noch lange wach, als die anderen schon längst schnarchten. Er konnte nicht aufhören, an das zu denken, was Padishar Creel gesagt hatte. Vor mehr als dreihundert Jahren, nachdem Shea Ohmsford das Schwert zur Vernichtung des Dämonenlords gebraucht hatte, war es in einen Block aus rotem Marmor im Volkspark der Südlandstadt Tyrsis eingepflanzt worden. Dort war es geblieben, bis die Föderation in Callahorn Einzug gehalten hatte. Jedermann wußte, daß es danach verschwunden war. Aber wenn es sich tatsächlich immer noch dort befand, wo es sich vor dreihundert Jahren befunden hatte, warum erkannte es dann keiner? Mit dem Gedanken an ein ungelöstes Rätsel schlief Par ein.
Wieder standen sie bei Sonnenaufgang auf, überquerten den Mermidon an einer Furt eine Meile flußaufwärts und wandten sich nach Süden in Richtung Tyrsis. Der Tag war heiß und still. Sie hielten sich möglichst im Schatten, aber der Wald lichtete sich, je weiter sie vordrangen, bis sie schließlich nur noch über Wiesen wanderten. Sie gingen mit ihrem Wasser sparsam um und versuchten ihre Kräfte zu schonen, aber die Sonne stand hoch am Sommerhimmel, und schon bald schwitzten sie stark. Gegen Mittag, als sie Tyrsis erreichten, klebten ihre Kleider feucht an ihren Körpern.
Tyrsis war die Hauptstadt und zugleich älteste Stadt von Callahorn und die sicherste Festung im ganzen Südland. Erbaut auf einer Anhöhe, wurde sie von steilen Felswänden im Süden und einem Paar riesiger Wälle im Norden geschützt. Der äußere Wall überragte die höchste Stelle der Anhöhe um fast dreißig Meter und stellte eine Verteidigungsanlage dar, die in der Geschichte der Stadt nur ein einziges Mal durchbrochen wurde, als die Horden des Dämonenlords die Stadt zu Zeiten Shea Ohmsfords angegriffen hatten. Zur Sicherheit der Verteidiger war hinter dem ersten Wall ein zweiter errichtet worden. Einst hatten die Grenzlegionen, die gewaltigste Armee des Südlandes, die Stadt verteidigt. Aber die Legionen gab es, seit sie von der Föderation aufgelöst worden waren, nicht mehr, und jetzt machten auf den Wällen und Straßen nur noch die Föderationssoldaten, Besatzungstruppen eines Landes, das bis vor hundert Jahren niemals besetzt worden war, die Runde. Die Föderationssoldaten hausten in den Quartieren der Legionen innerhalb des ersten Walls, und die Bewohner der Stadt lebten und arbeiteten innerhalb des zweiten, das heißt dort, wo sich die Stadt auf der Anhöhe zum Fuße der südlichen Felshänge erstreckte.
Par, Coll und Morgan waren noch nie in Tyrsis gewesen. Alles, was sie über die Stadt wußten, wußten sie aus den Geschichten, die aus den Tagen ihrer Vorfahren stammten. Als sie sich jetzt der Stadt näherten, erkannten sie, wie unmöglich es war, das zu beschreiben, was sie jetzt sahen. Die Stadt erhob sich in den Himmel wie ein gewaltiger Riese, ein Bauwerk aus Steinblöcken und Mörtel, das alles in den Schatten stellte, was sie jemals zu Gesicht bekommen hatten. Selbst in der hellen Mittagssonne ging ein schwarzer Schatten von ihr aus - so als sauge der Stein das Sonnenlicht in sich auf. Ein Weg führte von der Ebene zum Fuß der Anhöhe. Er war von Karren und Tieren verstopft.
Die kleine Gruppe näherte sich stetig der Stadt. Padishar Creel drehte sich zu den anderen um und sagte: »Vorsicht jetzt, Männer. Vermeidet alles, was die Aufmerksamkeit auf uns lenken könnte. Denkt daran, daß es ebenso schwer ist, aus der Stadt herauszukommen
Weitere Kostenlose Bücher