Shannara IV
richtete seinen Blick wieder auf Morgan. »Ich wurde von der Föderation festgenommen, als ich dabei war, ihr Hauptwaffenlager in Culhaven auszuräumen. Sie steckten mich in ihr Gefängnis, um herauszufinden, was ich ihnen sagen konnte. Das ist mir als Erinnerung daran geblieben.« Er berührte sein Gesicht. »Teel saß als Gefangene in der Zelle neben mir. Was sie mit mir getan haben, ist nichts im Vergleich mit dem, was sie mit ihr gemacht haben. Sie zerschlugen ihr Gesicht und ihren Rücken zur Strafe dafür, daß sie den Lieblingshund eines höheren Beamten der Stadtverwaltung von Culhaven getötet hat. Sie tötete den Hund vor lauter Hunger. Wir unterhielten uns durch die Wand hindurch und lernten uns so kennen. Eines Nachts, zwei Wochen, nachdem sie mich gefangengenommen hatten und mir immer klarer wurde, daß die Föderation kein weiteres Interesse an mir hatte und ich umgebracht werden sollte, gelang es Teel, den Wärter in ihre Zelle zu locken. Sie tötete ihn, nahm seine Schlüssel an sich, befreite mich, und wir entkamen. Seitdem sind wir zusammen.«
Nach einem langen Schweigen sagte Morgan: »Steff, wir brauchen deine Hilfe, um jemand zu finden, einen Mann, von dem wir annehmen, daß er im tiefen Anar lebt. Sein Name ist Walker Boh.«
»Walker Boh«, wiederholte Steff ruhig. Der Art, wie er den Namen aussprach, konnten sie entnehmen, daß er ihn kannte.
»Meine Freunde Par und Coll sind seine Neffen.« In kurzen Zügen erzählte Morgan die Geschichte ihrer Reise, die sie nach Culhaven geführt hatte, von der Flucht der Brüder Ohmsford aus Varfleet bis zu ihrem Kampf mit den Schattenwesen. Er berichtete von dem alten Mann und seinen Warnungen, von Pars Träumen, die ihn zum Hadeshorn riefen, und von seiner eigenen Entdeckung der Zauberkraft des Schwertes von Leah. Steff hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Er saß regungslos auf seinem Platz; sein Gesicht war eine ausdruckslose Maske.
Als Morgan seine Erzählung beendet hatte, schüttelte Steff den Kopf. »Druiden und Magie und Geschöpfe der Nacht. Hochländer, du hast mich wieder einmal überrascht!« Er erhob sich, ging um den Tisch herum und richtete seinen gedankenverlorenen Blick kurz auf Teel, bevor er sagte: »Ich habe von Walker Boh gehört.«
»Und?« drängte ihn Morgan.
»Und der Mann jagt mir Angst ein.« Steff sah Par und Coll an. »Euer Onkel, wie lang ist es her, seit ihr ihn zum letztenmal gesehen habt - zehn Jahre? Dann solltet ihr mir gut zuhören. Der Walker Boh, den ich kenne, ist vielleicht nicht derselbe Onkel, den ihr in Erinnerung habt. Dieser Walker Boh lebt eher in Gerüchten als in Wirklichkeit, ist aber trotz allem sehr wirklich - er ist jemand, dem selbst die Dinge, die in den dunkleren Teilen des Landes wohnen und sich an den Reisenden, Wanderern und Verirrten vergreifen, tunlichst aus dem Weg gehen.« Er setzte sich wieder hin, nahm seinen Bierkrug und trank.
Morgan Leah und die Ohmsfords sahen einander schweigend an. Schließlich sagte Par: »Ich glaube, wir haben uns schon entschieden. Wer oder was Walker Boh auch ist, uns verbindet außer unserer Blutsverwandtschaft ein weiteres gemeinsames Band - unsere Träume von Allanon. Ich muß wissen, was mein Onkel vorhat. Wirst du uns helfen, ihn zu finden?«
Ganz unerwartet ging ein schwaches Lächeln über Steffs Gesicht. Er sah Morgan an. »Ich nehme an, er spricht auch für seinen Bruder. Spricht er auch für dich?« Morgan nickte. Gedankenverloren ließ Steff seinen Blick geraume Zeit auf ihnen ruhen. »Dann werde ich euch helfen«, bekundete er schließlich. Er hielt inne und achtete auf ihre Reaktion. »Ich werde euch zu Walker Boh führen - falls er sich finden läßt. Aber ich tue das, weil ich meine eigenen Gründe dafür habe, und ich glaube, es ist am besten, wenn ihr darüber Bescheid wißt.« Er senkte den Kopf, und einen Augenblick legte sich ein Schatten auf sein Gesicht. »Die Föderation hat euch eure Häuser genommen und sie zu ihrem Besitz erklärt. Nun, die Föderation hat mir mehr als das weggenommen. Sie hat mir alles genommen - mein Heim, meine Familie, meine Vergangenheit und sogar meine Zukunft. Die Föderation hat all das zerstört, was war und ist, und hat mir nur das gelassen, was vielleicht sein wird. Sie ist mein Erzfeind, und ich würde alles tun, um sie zu vernichten. Nichts von all dem, was ich hier tue, wird mich zum Ziel führen. Was ich tue, dient nur dazu, mich am Leben zu erhalten. Jetzt hab’ ich genug davon. Jetzt will ich
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