Shannara IV
sind abergläubisch und halten sich deshalb davon fern. Die Föderation hat ganze Abteilungen hineingeschickt, die nie wieder zurückgekommen sind. Um die Wahrheit zu sagen, haben sich die meisten einfach verirrt, weil sie den Weg nicht kannten. Aber ich kenne den Weg.«
Seine Zuhörer blieben still. Schließlich sagte Coll: »Ich erinnere mich dunkel, daß einige unserer Vorfahren in ziemliche Schwierigkeiten geraten sind, als sie vor Jahren dieselbe Route genommen haben.«
Steff zuckte die Schultern. »Davon weiß ich nichts. Ich weiß bloß, daß ich diese Berge schon oft überquert habe.«
Coll schüttelte den Kopf und sah Par an. »Das alles ist mir nicht geheuer.«
»Tja, wir haben die Wahl zwischen dem Teufel, den wir kennen, und dem, den wir nur vermuten«, erklärte Steff barsch. »Zwischen Föderationssoldaten und ihren Verbündeten, den Gnomen, die ganz sicher dort draußen auf uns warten, und Geistern und Gespenstern, die wir nicht kennen.«
»Schattenwesen«, sagte Par leise.
Seinem Wort folgte ein kurzes Schweigen.
Steff lächelte grimmig. »Hast du’s noch nicht gehört, Talbewohner? Es gibt keine Schattenwesen. Das sind alles bloß Gerüchte. Und außerdem kannst du uns mit deiner Magie doch beschützen, oder nicht? Du und der Hochländer hier, wer könnte sich da schon an uns vergreifen wollen?« Sein Blick bohrte sich abwechselnd in die Anwesenden. »Also kommt. Keiner hat je behauptet, daß diese Reise ein Vergnügen werden würde.«
Darauf wußte keiner etwas zu erwidern, und sie überließen die Entscheidung dem Zwerg. Schließlich befanden sie sich hier in seinem Land, nicht dem ihren, und er kannte sich darin aus. Sie mußten sich, wollten sie Walker Boh finden, auf ihn verlassen.
Sie verbrachten die Nacht in einer Kiefernlichtung, inmitten des Geruchs der Nadeln, der wilden Blumen und der frischen Luft. Ihr Schlaf blieb ungestört. Bei Tagesanbruch führte Steff sie in die Berge des Wolfsktaag hinein. Sie erreichten den Noosepaß, überquerten die Hängebrücke, die in der Mitte der Schlucht von einer Seite zur anderen führte, und kletterten durch die bewaldeten Hänge nach oben.
Der Morgen ging in den Nachmittag über, und sie erreichten die nach Norden verlaufenden Bergkämme. Jetzt empfanden sie das Reisen als angenehm, denn die Sonne schien warm und freundlich auf sie herab, und die Ängste und Zweifel der vorhergegangenen Nacht begannen sich aufzulösen. Vögel zwitscherten in den Bäumen, und kleine Tiere tummelten sich im Unterholz. Die Brüder und der Hochländer lächelten einander zu, Steff brummte unverständlich vor sich hin, und nur Teel zeigte keine Gefühlsregung.
Als die Nacht hereinbrach, errichteten sie auf einer Wiese, die von Tannen und Zedern umgeben war, ihr Lager. Es war fast windstill, und die Wärme des Tages verweilte in diesem geschützten Tal noch lange, nachdem die Sonne untergegangen war.
Sterne funkelten am dunklen Nachthimmel, und der Mond hing wie eine leuchtende Scheibe am westlichen Horizont. Par rief sich noch einmal die Weisung des alten Mannes ins Gedächtnis - daß sie am ersten Tag des neuen Mondes am Hadeshorn sein sollten. Die Zeit zerrann ihnen zwischen den Fingern.
Er dachte in dieser Nacht, als sie sich um das Feuer versammelten, nicht so sehr an den alten Mann oder Allanon. Er dachte vielmehr an Walker Boh.
Er hatte seinen Onkel seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen, aber seine Erinnerung war seltsam klar. Er war damals noch ein Junge gewesen, und sein Onkel schien schon damals ziemlich geheimnisvoll - ein großer, kräftiger Mann mit dunklen Augen, die geradewegs durch einen hindurchsehen konnten. Er war immer freundlich zu ihm gewesen, auch wenn er meist in sich gekehrt schien, irgendwie zwar im Hier und Jetzt, aber gleichzeitig auch wieder ganz weit weg.
Man erzählte sich schon damals Geschichten über Walker Boh, aber Par konnte sich nur an ganz wenige erinnern. Es hieß, er verfüge über magische Kräfte, obgleich keiner genau wußte, über welche Art magischer Kraft. Er war ein Nachkomme von Brin Ohmsford, besaß jedoch nicht die Magie des Wunschlieds. Seit zehn Generationen war keinem in seiner Familie diese Gabe zuteil geworden. Brin hatte sie mit ins Grab genommen. Die Zauberkraft, über die sie verfügt hatte, war natürlich anders gewesen als die ihres Bruders Jair. Während Jair mit dem Wunschlied lediglich Bilder heraufbeschwören konnte, war seine Schwester in der Lage, die Wirklichkeit zu verändern. Ihre
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