Shannara IV
in die Höhle traten. Sie sprach zu ihnen in ihrer eigenen Sprache, und Par erinnerte sich daran, wie abergläubisch diese Kreaturen waren und Götter und alle möglichen Geister anbeteten. Und jetzt waren sie im Bann dieses Mädchens. Er wollte schreien.
Die Spinnengnome kamen auf ihn zu, lockerten seine Fesseln, die ihn festhielten, packten ihn an Armen und Beinen und schleppten ihn weg. Das Kind stellte sich ihnen in den Weg. »Drück mich!«
Er schüttelte den Kopf und versuchte gleichzeitig, den Dutzenden von Händen, die ihn festhielten, zu entkommen. Sie zerrten ihn nach draußen, dorthin, wo der Rauch der Feuer und der Nebel der Täler sich wie Träume im Schlaf vermischten und sich im Kreis drehten. Am Rand des Abhangs brachte man ihn zum Stehen, und sein Blick fiel hinunter in eine unendliche Leere.
Das Kind mit der leisen und heimtückischen Stimme war immer an ihrer Seite. »Das Altmoor«, flüsterte sie. »Hier leben die Werbestien. Kennst du Werbestien, Elfenjunge?« Er erstarrte. »Sie sollen dich haben, wenn du mich nicht drücken willst. Sie sollen sich an dir laben trotz deiner Zauberkraft.«
Es gelang ihm, sich loszureißen, seine Bewacher wegzuschleudern. Er bot die gesamte Kraft des Wunschlieds auf und warf den Spinnengnomen, die ihn umringten, die Bilder entgegen, in dem verzweifelten Versuch, sich einen Weg durch ihre Mitte zu bahnen. Er stürzte den Abhang hinunter, fiel in den unendlichen Abgrund, in den Strudel von Dunst und Nebel. Hinter ihm verschwanden das Schattenwesen, die Spinnengnome, die Feuer, die Höhle. Er stürzte hinunter, Hals über Kopf, durch Gestrüpp und Gras, über Spalten und zwischen Felsbrocken hindurch. Wie durch ein Wunder verfehlte er die Felsen, die ihn hätten töten oder für immer zum Krüppel machen können, und fiel schließlich in eine unheilvolle Finsternis.
Als er wieder zu sich kam, wußte er nicht, wie lange er bewußtlos gewesen war. Er erwachte auf einem Bett von feuchten Sumpfgräsern. Die Gräser, das wurde ihm klar, mußten seinen Fall gedämpft und ihm somit das Leben gerettet haben. Unfähig, sich zu bewegen, und jeder Kraft beraubt, lauschte er dem Schlagen seines Herzens in seiner Brust. Als er sich etwas erholt hatte, stellte er sich vorsichtig auf die Beine und untersuchte seinen Körper. Er war übersät mit Schnitt- und Schürfwunden, aber anscheinend hatte er keine Brüche davongetragen. Er horchte in die Stille. Weit oben hörte er die Stimmen der Spinnengnome.
Er wußte, daß sie herabkommen würden, um ihn zu holen. Er mußte von hier weg.
Er schaute sich um. Nebel und Schatten jagten durch eine halbdunkle Welt; der Einbruch der Nacht stand kurz bevor. Kleine, fast unsichtbare Dinge hüpften und sprangen durch das hohe Gras. Überall um ihn herum blubberten Schlamm und Schlick. Verkrüppelte Bäume, die zu bizarren Formen erstarrt waren, bestimmten die Landschaft. Geräusche drangen aus allen Richtungen an sein Ohr.
Um ruhiger zu werden, atmete Par tief ein. Er wußte ungefähr, wo er sich befand. Er war auf dem Tofferkamm gewesen. Sein Sturz hatte ihn vom Kamm in das Altmoor fallen lassen. In seinem Bemühen, seinem Schicksal zu entrinnen, hatte er es nur beschleunigt. Er hatte sich unfreiwillig genau dorthin begeben, womit das Schattenwesen ihm gedroht hatte - in das Gebiet der Werbestien.
Er nahm all seinen Mut zusammen und machte sich auf den Weg. Er befand sich am Rande des Moors, beruhigte er sich selbst, noch nicht mitten drin, noch nicht völlig verloren. Er konnte entkommen. Aber er mußte schnell handeln.
Fast spürte er, wie die Werbestien ihn beobachteten.
Die Geschichten über die Werbestien stiegen jetzt vor seinem geistigen Auge auf. Sie besaßen die alte Magie, Monster, die verirrte Kreaturen, die sich ins Moor gewagt oder dorthin geschickt worden waren, überfielen, sich ihrer körperlichen und geistigen Kraft bemächtigten und ihr Leben aussaugten. Die Spinnengnome stellten ihre Hauptnahrung dar; sie hielten die Werbestien für Geister, die Beschwichtigung verlangten, und demgemäß opferten sie sich. Par erschauerte bei dem Gedanken daran, denn genau dieses Schicksal hatte das Schattenwesen ihm zugedacht.
Müdigkeit zwang ihn, sein Tempo zu verlangsamen, und ließ ihn unsicher werden. Mehrere Male stolperte er, und einmal trat er sogar in einen Sumpf, doch es gelang ihm, sich schnell wieder herauszuziehen. Sein Blick war verschwommen, und Schweiß rann ihm den Rücken hinunter. Die aus dem Moor aufsteigende
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