Shannara IV
ihre Pferde bestiegen.
Walker sprach mit einem oder zweien; seine Worte waren so leise, daß kein anderer sie verstehen konnte. Dann blickte er sich noch einmal nach ihnen um. »Ich erhoffe für uns viel Glück, meine Freunde«, sagte er und wandte sein Pferd nach Westen, zur Ebene hin.
Viel Glück, weiß Gott, das brauchen wir, dachte Par Ohmsford.
Das Mädchen
von Shannara
Kapitel 13
Vereinzelte Sonnenstrahlen drangen durch die Bäume, brachen sich auf der ruhigen Oberfläche des Myriansees, tauchten das Wasser in leuchtendes Rotgold und ließen Wren Ohmsford blinzeln. Weiter im Westen ragten die Zacken des Irrybisgebirges in den Himmel, bildeten gleichsam eine Grenze zwischen Erde und Firmament und warfen die ersten Schatten der Nacht über die riesige Ebene von Tirfing.
In einer Stunde würde es dunkel werden, dachte sie.
Am Ufer des Sees hielt sie an und sog, wenn auch nur für einen kurzen Moment, die Abgeschiedenheit der herannahenden Dämmerung in sich ein. Mit der behaglichen Selbstzufriedenheit einer schlafenden Katze breitete sich das gesamte Westland in der schimmernden Hitze des sich dem Ende zuneigenden Sommertages aus, wartete geduldig auf das Herannahen der Nacht und die damit verbundene Kühle.
Sie hatte nicht mehr viel Zeit.
Einen Augenblick suchte sie nach den Spuren, die sie vor einigen hundert Metern verloren hatte, und fand nichts. Er hätte sich ebenso gut in Luft auflösen können. Sie kam zu dem Schluß, daß er es ihr mit diesem Katz-und-Maus-Spiel nicht leicht machte. Vielleicht war sie schuld daran.
Der Gedanke trieb sie weiter, ließ sie lautlos zwischen den Bäumen am Seeufer hindurchhuschen, das Laub und die Erde mit neuer Entschlossenheit überprüfen. Sie war klein und von schmächtigem Wuchs, gleichzeitig aber zäh und stark. Ihre Haut hatte durch den Wind und die Sonne eine nußbraune Färbung angenommen, und ihr kurzes hellblondes Haar, das in kleinen Löckchen an ihrem Kopf lag, gab ihr ein jungenhaftes Aussehen. Ihre Gesichtszüge erinnerten eindeutig an eine Elfin, die Augenbrauen standen schräg, die Ohren waren klein und spitz, die hohen Wangenknochen ließen ihr Gesicht schmal erscheinen. Ihre haselnußfarbenen Augen blickten sich, während sie sich bewegte, rastlos und suchend um.
Seinen ersten Fehler entdeckte sie nach etwa dreißig Metern in Form eines winzigen abgebrochenen Ästchens und kurz darauf seinen zweiten in Form eines Stiefelabdrucks. Unwillkürlich mußte sie lächeln. Ihre Zuversicht wuchs, und erwartungsvoll hob sie den glatten dicken Stock, den sie bei sich trug.
Der See, der sich an dieser Stelle zwischen die Bäume schob, bildete eine tiefe Bucht, wodurch sie gezwungen war, durch ein dichtes Kiefernwäldchen zu ihrer Linken zurückzukehren. Sie verlangsamte ihr Tempo und bewegte sich noch vorsichtiger. Die Kiefern machten jetzt dichtem Buschwerk Platz, das nahe an einem Zedernhain wuchs. Sie umging das Buschwerk und bemerkte dabei eine frische Kratzspur an einer Baumwurzel. Jetzt wird er unvorsichtig, dachte sie, oder will es mich zumindest glauben machen.
Sie entdeckte die Falle erst in dem Augenblick, als ihr Fuß schon über ihr schwebte. Die dazugehörigen Drähte zogen sich von einer sorgfältig versteckten Schlinge in das dichte Buschwerk hinein und von dort zu einem kräftigen jungen Baum, an dem sie befestigt waren. Hätte sie sie nicht gesehen, wäre sie in die Höhe gerissen worden und würde jetzt dort baumeln.
Gleich danach bemerkte sie die zweite Falle, die noch besser versteckt war, und zwar für den Fall, daß sie der ersten entgehen sollte. Sie entkam auch dieser und bewegte sich jetzt noch vorsichtiger.
Trotzdem hätte sie ihn beinahe nicht gesehen, als er ungefähr fünfzig Meter weiter von einem Ahornbaum zu Boden glitt. Er war es müde, sie im Wald immer wieder zu verlieren, und hatte deshalb beschlossen, die Sache ein für allemal und schnell hinter sich zu bringen. Während sie zwischen den Bäumen hindurchhuschte, glitt er lautlos zu Boden, und einzig ihr Gespür rettete sie. In dem Augenblick, als er den Boden berührte, sprang sie zur Seite, holte mit ihrem großen Stock aus und erwischte ihn mit einem hörbaren Schlag an seiner riesigen Schulter. Ihr Angreifer schüttelte den Schlag ab und erhob sich mit einem lauten Grunzen. Er war ein Mann von beträchtlichen Ausmaßen. Er lief auf Wren zu, doch mit Hilfe ihres Stocks gelang es ihr, einen großen Sprung zu machen. Beim Aufkommen rutschte sie aus, und mit einer
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