Shannara IV
erstaunlichen Behendigkeit war er über ihr. Sie wälzte sich zur Seite, wobei sie ihn mit ihrem Stock abwehrte, bis es ihr schließlich gelang, den hölzernen Dolch hervorzuziehen und ihn zum Schein in seinen Bauch zu rammen.
Das sonnengebräunte, bärtige Gesicht wandte sich dem ihren zu, und die tiefliegenden Augen starrten nach unten. »Du bist tot, Garth«, erklärte sie ihm lächelnd. Dann bewegten sich ihre Finger und formten das Zeichen.
Der Fahrende fiel in gespielter Unterwerfung zusammen, bevor er sich erhob. Dann lächelte auch er. Sie säuberten ihre Kleider und standen sich im schwächer werdenden Licht gegenüber.
»Ich werde immer besser, stimmt’s?« fragte Wren, wobei sie ihre Worte mit Gesten begleitete.
Garth antwortete ohne Laute, seine Finger bewegten sich in der Sprache, die er ihr beigebracht hatte. »Besser, aber noch nicht gut genug«, übersetzte sie. Als sie nach seinem Arm faßte, breitete sich ein Lächeln über sein ganzes Gesicht aus. »Für dich vermutlich nie gut genug. Denn sonst wärst du arbeitslos!«
Sie hob ihren Stock auf und täuschte einen Angriff vor, was den anderen sofort Deckung suchen ließ. Sie sahen einander einen Augenblick aufmerksam an, bevor sie sich wieder entspannten und sich auf den Weg zurück zum Seeufer machten. Eine halbe Stunde jenseits der Bucht befand sich eine kleine Lichtung, ein idealer Platz, um ein Lager für die Nacht zu errichten. Wren hatte sie während ihrer Verfolgungsjagd gesehen und ging jetzt schnurstracks dorthin.
»Ich bin müde, und mir tut alles weh, und ich habe mich noch nie besser gefühlt«, verkündete das Mädchen fröhlich, als sie gingen und dabei die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf dem Rücken spürten, die Gerüche des Waldes einatmeten und voll Leben und Frieden waren. Sie sang und summte Lieder von Fahrenden und vom freien Leben, davon, wie das Leben war und wie es sein würde. Garth folgte ihr gleich einem stillen Schatten.
Sie erreichten die Lichtung, machten Feuer, bereiteten ihr Essen zu und aßen; dazu tranken sie aus dem großen ledernen Bierschlauch. Die Nacht war angenehm warm, und Wren Ohmsfords Gedanken waren voller Zufriedenheit. Es blieben ihnen noch fünf Tage, bevor sie wieder zurückerwartet wurden. Sie genoß ihre Streifzüge mit Garth; sie bedeuteten Aufregung und Herausforderung. Der Fahrende war der beste aller Lehrer - einer, der seinen Schülern gestattete, durch eigene Erfahrung zu lernen. Niemand wußte so viel wie er über Fährtensuche, Deckung, Fallen, Schlingen, und niemand kannte so viele Schliche in der schönen Kunst des Überlebens. Er war von Anfang an ihr Lehrer gewesen. Sie hatte nie gefragt, warum er sich gerade sie ausgesucht hatte; sie war einfach nur dankbar dafür, daß er es getan hatte.
Das Leben, das sie führte, war hart, aber es wäre ihr unmöglich gewesen, sich ein anderes Leben auch nur vorzustellen. Als Fahrende war sie geboren worden und hatte mit Ausnahme der ersten Jahre, die sie in dem Dörfchen Shady Vale im Südland bei ihren Verwandten, den Ohmsfords, verbracht hatte, immer unter den Fahrenden gelebt. Seit Jahren lebte sie jetzt im Westland, wo sie mit Garth und den anderen herumstreifte, denjenigen, die sie nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen hatten und sie in allen Dingen des Lebens unterrichteten. Das gesamte Westland gehörte den Fahrenden vom Kershaltgebirge bis zum Irrybisgebirge, vom Tal von Rhenn bis zur Blauen Spalte. Einst hatte es ebenso den Elfen gehört. Aber die Elfen gab es nicht mehr, sie waren verschwunden. Bei den Fahrenden hieß es, sie hätten sich wieder ins Reich der Sagen zurückbegeben. Sie hatten jegliches Interesse an der Welt der Sterblichen verloren und waren ins Zauberland zurückgekehrt.
Manche zogen das in Zweifel. Andere wiederum behaupteten, die Elfen seien immer noch da und hätten sich nur versteckt. Sie selbst wußte dazu nichts zu sagen. Sie wußte lediglich, daß die Elfen ein verwildertes Paradies zurückgelassen hatten.
Garth reichte ihr den Bierschlauch, und sie nahm einen großen Schluck, bevor sie ihn wieder zurückreichte. Sie wurde zunehmend schläfrig. In der Regel trank sie nur wenig. Aber heute war sie ganz besonders stolz auf sich selbst. Es kam nicht oft vor, daß sie Garth überlistete.
Sie ließ ihren Blick kurz auf ihm ruhen, während sie daran dachte, wie viel er ihr in der Zwischenzeit bedeutete. Ihre Zeit in Shady Vale schien so weit entfernt, obwohl sie sich noch gut daran erinnerte. Und
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