Shannara V
Elfen auch die Baumschreier geschaffen?«
Stresa setzte sich mit eingezogenen Pfoten bequem zurecht. »Die Baumschreier waren schon immer hier. Aber wie alles andere hat die Magie sie verändert. Siehst du die Hände und Füße? Das waren einmal Pfoten. Sie können sich auch verständigen. Schau.«
Er machte ein leises, zirpendes Geräusch. Der Baumschreier reckte den Kopf empor. Stresa versuchte es erneut. Dieses Mal antwortete der Baumschreier mit einem sanften, leisen Quieken.
Stresa zuckte die Achseln. »Er hat Hunger.« Der Stachelkater verlor das Interesse, und sein klobiger Kopf senkte sich auf die Vorderpfoten. »Wir werden bis zum Mittag rasten und dann weiterziehen. Die Dämonen schlafen, wenn es draußen heiß ist. Das ist für uns die günstigste Zeit, wieder hinauszugehen.«
Seine Augen schlossen sich, und sein Atem wurde tiefer. Garth sah Wren an und lehnte sich ebenfalls bequem zurück, als er eine glatte Stelle zwischen den rauhen Kanten des Lavagesteins gefunden hatte. Wren wollte jedoch nicht schlafen. Sie wartete ein wenig, griff dann in ihr Bündel und holte noch ein Stück Käse hervor. Sie knabberte daran, wobei der Baumschreier sie beobachtete, und tastete sich dann vorsichtig über den Boden des Spalts, bis sie in die Nähe des Baumschreiers gelangt war. Als sie nur noch eine Armeslänge entfernt war, brach sie ein Stück Käse ab und hielt es ihm hin. Das kleine Wesen nahm es eifrig entgegen und aß es.
Kurz darauf hatte es sich in ihrem Schoß zusammengerollt. Es war noch immer da, als sie schließlich einschlief.
Sie fühlte die Hand von Garth fest und sicher auf ihrer Schulter und wachte wieder auf. Sie blinzelte und schaute sich um. Der Baumschreier saß wieder auf seinem Sims und beobachtete sie. Garth signalisierte ihr, daß es Zeit für ihren Aufbruch sei. Sie erhob sich vorsichtig in der Beengtheit des Spalts und nahm ihr Bündel auf. Stresa wartete mit gesträubten Stacheln am Eingang und schnüffelte in die Luft. Es war jetzt heiß in ihrem Schutzraum, die Luft war ruhig und dicht.
Sie schaute sich kurz nach dem Baumschreier um. »Auf Wiedersehen, kleiner Kerl«, rief sie leise.
Dann traten sie aus der Dunkelheit heraus in das neblige Licht. Der Mittag war gekommen und gegangen, während sie geschlafen hatten. Der Vog, der das Tal bedeckte, schien dichter als zuvor, er roch stark nach Schwefel, und er schmeckte sandig nach Asche und Schlick. Vom Kern des Killeshan stieg Hitze aus dem porösen Fels auf und hing hartnäckig und unbeweglich in der Luft, gefangen in der windlosen Weite des Tales. Der Nebel reflektierte das diffuse Sonnenlicht so grell, daß Wren gegen seinen Glanz anblinzeln mußte. Schattige Gruppen von Akazien erhoben sich vor dem Nebel, und Bänder schwarzen Lavagesteins verschwanden in anderen Welten.
Stresa führte sie vorwärts, wobei er den Weg durch die Düsterkeit des Vog sehr vorsichtig wählte, im Zickzack von einer Stelle zur nächsten lief und dabei in die Luft schnüffelte. Der Tag war beunruhigend ruhig vorbeigegangen. Wren lauschte mißtrauisch, denn sie erinnerte sich daran, daß Stresa gesagt hatte, die Dämonen würden jetzt ruhen. Dennoch mißtraute sie dieser Information. Sie arbeiteten sich an dicht mit Weinranken und Gräsern bewachsenen Bauminseln vorbei, tiefer in die Mulde des Tales vor, mit Gestrüpp bestandene Hügelketten und Abhänge hinab und endlose Streifen öden, verkrusteten Lavagesteins entlang, die sich wie schwarze Bänder durch den Nebel zogen.
Der Nachmittag schritt schnell voran. Im Nebel um sie herum bewegte sich nichts. Es waren Wesen dort draußen, das wußte Wren, denn sie konnte ihre Gegenwart spüren. Es waren Wesen wie jenes, das sie am Morgen fast erwischt hätte. Und noch schlimmere. Aber Stresa schien zu wissen, wo sie waren, und war sicher, ihnen ausweichen zu können. Er führte seine Gruppe vorwärts und war sich seiner Wahl des Weges durch das verräterische Labyrinth offenbar sehr sicher. Alles verlagerte und veränderte sich ständig, während sie gingen, und das Gefühl, daß nichts beständig sei und ganz Morrowindl in kontinuierlichem Fluß begriffen sei, beschlich sie. Die Insel schien auseinanderzubrechen und sich dann um sie herum neu zu bilden - eine unwirkliche Landschaft, die alles sein konnte, was sie wollte, und nicht an die Naturgesetze gebunden war, die normalerweise herrschten. Wren fühlte sich zunehmend bedrückt, als sie weitergingen, denn sie war an das verläßliche Terrain von Ebenen,
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