Shannara V
getrieben. Morrowindl verwandelte sich langsam in einen Feuerkessel und fraß sich selbst vom Zentrum nach außen hin auf. Risse brachen überall auf, breite Spalten, die sich in die Schwärze öffneten und zischten und Dampf und Hitze ausspien. Die Welt, die einst nach dem Gebrauch der Elfenmagie aufgeblüht war, verging zu Staub, und in wenigen Tagen würden nur noch die Felsen und die Asche der Toten übrig sein. Eine neue Welt entfaltete sich um die Freunde, während sie flohen, und wenn sie erst fertig gestaltet war, würde nichts mehr von der alten darin erkennbar sein.
Sie stiegen hinab zu den Wiesen mit hohen Gräsern, zu den letzten Feldern mit altem Bewuchs, die an die Küste grenzten. Die Gräser hatten bereits begonnen, sich zu kräuseln und im Rauch abzusterben. Sie waren voller Dampf und Gase, die das Leben aus ihnen heraussengten. Ausgetrocknetes, lebloses Gestrüpp brach unter ihren Stiefeln. Feuer brannten in heißen Flecken überall um sie herum, und zu ihrer Rechten, jenseits einer tiefen Schlucht, bahnte sich ein dünnes Band rotglühenden Feuers unaufhörlich seinen Weg über einen Teppich von Wildblumen auf einen Hain mit Akazien zu, die in hilfloser, erstarrter Vorahnung warteten. Wolken von schwarzem Ruß wälzten sich von den Höhen des In Ju herab, wo der Dschungel langsam bis zum Wasser zu brennen begann, während der Sumpf darunter beinahe kochte. Fels und Asche regneten in Schauern von irgendwo jenseits ihres Sichtfeldes herab wie Hagel aus den Wolken. Die Ausbrüche des Vulkans schleuderten sie stetig heraus. Der Wind drehte sich, und die Sicht nahm ab. Es war Mittag, und der Himmel war so rauh und grau und dunstig wie im herbstlichen Zwielicht.
Wrens Kopf fühlte sich leicht und leer an, als sei er ein Teil der Luft, die sie atmete. Ihre Knochen hingen lose in ihrem Körper, und das Feuer der Magie der Elfensteine flackerte und funkelte noch immer wie abkühlende Kohlestücke. Sie suchte das Land um sich herum ab und konnte sich offenbar auf nichts konzentrieren. Alles trieb dahin wie Wolken.
»Stresa, wie weit noch?« fragte sie.
»Ein Stück noch«, grollte der Stachelkater, ohne sich umzudrehen. »Phfffft. Lauf weiter, Wren von den Elfen.«
Das tat sie, und sie merkte, daß ihre Kräfte nachließen, und sie fragte sich abwesend, ob dies nach dem häufigen Gebrauch der Magie so war oder nur durch Erschöpfung. Sie spürte, daß Triss sich ihr näherte und einen Arm um ihre Schultern legte.
»Lehnt Euch an mich«, flüsterte er und nahm ihr Gewicht auf sich.
Die Wiesen zogen wie die Sonne auf ihrer Wanderung nach Westen vorbei, und sie erreichten den alten Pflanzengürtel. Er war bereits zum Süden hin entzündet, die oberen Zweige brannten, und Rauch türmte sich auf. Sie eilten schnell hindurch, glitten und rutschten dabei über Moos und Blätter, über totes Holz und loses Gestein. Die Bäume standen still und verlassen da oder ragten in tiefhängende Wolken und Dunst wie Säulen hinein. Knurren und Fauchen stieg aus dem Dunst, entfernt, aber dennoch ringsum spürbar.
Der Zug ging weiter. Einmal bewegte sich etwas Riesiges in den abgelegenen Schatten neben ihnen, und Stresa wälzte sich ihm mit aufgestellten Stacheln entgegen. Aber nichts zeigte sich, und sie gingen kurz darauf weiter. Das Geräusch von Wasser, das auf Felsen aufprallte, erklang vor ihnen, das Steigen und Fallen des Meeres. Wren bemerkte, daß sie lächelte. Den Ruhkstab hielt sie fest an ihre Brust gepreßt. Es gab noch immer eine Chance für sie, dachte sie erschöpft. Es bestand noch immer Hoffnung, daß sie entkommen konnten.
Als dann schließlich das Tageslicht hinter ihnen verblaßte und der Sonnenuntergang vor ihnen in Silberund Rottönen erstrahlte, traten sie aus den Bäumen heraus und fanden sich auf einem hohen Felsen wieder, von dem aus sie über die weiten Wasser der Blauen Spalte sehen konnten. Rauch und Asche bewölkten die Luft vor ihnen, aber hinter ihrem Schirm flammte der Horizont von Farben.
Die Freunde taumelten vorwärts und blieben dann stehen. Der Fels fiel zu einer zerklüfteten Küstenlinie hin steil ab. Es gab keine Strande und keine Spur von Tiger Ty.
Wren lehnte sich schwer auf den Stab und suchte den Himmel ab. Er erstreckte sich weit und leer vor ihnen.
»Tiger Ty!« flüsterte sie verzweifelt.
Triss ließ sie los, trat vor und suchte den Fels ab. »Dort unten«, signalisierte er kurz darauf und deutete nach Norden. »Dort ist ein Strand, auf den wir gelangen
Weitere Kostenlose Bücher