Shannara VI
freisprechen, indem du sie auf dich selbst lädst.«
Walker erinnerte sich an die Vehemenz in der Stimme des anderen, die Härte, die sie offenbart hatte, die Beharrlichkeit, die sie übermittelt hatte. »Dann sollte ich nicht versuchen, dich von der Schuld freizusprechen, alter Mann«, hatte er erwidert. »Aber ich sollte auch mich nicht von Schuld freisprechen. Du hast weder für mich die Wahl getroffen, noch hast du mich daran gehindert, sie selbst zu treffen. Ja, es gab zwingende Gründe für meine jeweilige Wahl, aber diese Gründe wurden von dir nicht eingebracht, bevor ich sie mir nicht selbst überlegt hätte. Außerdem könnte ich, wenn ich wollte, dasselbe behaupten wie du. Welchen Anteil hättest du ohne mich an alledem gehabt? Wärst du mehr als ein Bote für Par und Wren gewesen, wenn du nicht auch an mich gebunden gewesen wärst? Ich glaube nicht, daß du das sagen kannst.«
Das Gesicht des alten Mannes hatte sich dann in die Schatten gesenkt, hatte die Unbeugsamkeit des anderen gesehen und seine Entschlossenheit gehört.
»Du kannst mir am besten helfen, indem du hier wartest«, hatte Walker erklärt und die Hand ausgestreckt, um den Arm des anderen zu berühren. »Sonst hast du immer die Wichtigkeit dessen verstanden, wann man handeln muß und wann nicht. Tu es für mich auch jetzt.«
Damit war die Debatte beendet gewesen, und Cogline hatte bei ihm gestanden, bis das Geräusch der Herausforderung der Schattenwesen durch die Steinmauern Paranors hallte und Walker in die trübe Dämmerung hinausgegangen war, um sich ihr zu stellen.
Kräfte aller Art, wiederholte er, während er jetzt im Schutz der Festungsmauer stand und auf das Herannahen des nächsten der die Festung umkreisenden Schattenwesen lauschte. Er würde vor allem eine Entschlossenheit von der Art brauchen, wie Cogline sie besaß - eine wilde Entschlossenheit, auch nicht den härtesten und unbestreitbarsten Diktaten des Lebens nachzugeben -, wenn er diesen Tag überleben sollte. Hungersnot, Seuche, Krieg und Tod - die Vier Reiter der Apokalypse waren gekommen, um seine Seele zu fordern. Aber an diesem Tag war er Schicksal, und Schicksal würde das Geschick aller beschließen.
Er schaute auf, als Seuche erschien, und streckte sich dann merklich. Es war an der Zeit.
Walker Boh wartete im Schatten der Mauer. Eine unsichtbare Gegenwart, während sich der Reiter näherte. Er kam desinteressiert und lethargisch heran, von seinem Schlangenreittier getragen, ein summender Schwarm Insekten, die in der Gestalt eines Mannes versammelt waren. Seuche fehlten Gesichtszüge und somit auch ein Gesichtsausdruck, und Walker konnte nicht sagen, was er sah oder dachte. Er zog vorüber, ohne langsamer zu werden, die Schlangenklauen rauh auf dem Pfad kratzend. Walker schloß sich ihm an. Der Unsichtbarkeitszauber verhinderte, daß er gesehen wurde, und die Geräusche der Schlange verhinderten, daß er gehört wurde. Walker hatte überlegt, den Unsichtbarkeitszauber zu benutzen, um an den Schattenwesen vorbeizuschlüpfen. Aber sie hatten ihn schnell genug entdeckt, als er versucht hatte, durch die unterirdischen Tunnel Paranors zu entkommen, obwohl er so leise wie ein Gedanke gewesen war, und er glaubte, daß sie ihn spüren konnten, wenn er sich zu weit vom Keep entfernte, von seiner Zufluchtsstätte und der Quelle seiner Druidenmacht. Sogar die Unsichtbarkeit würde ihn dann vielleicht nicht beschützen. Es war besser, so hatte er beschlossen, seinen Vorteil zu nutzen, wenn er sich auf sie verlassen konnte, und den Reitern ein für allemal ein Ende zu bereiten.
Im Kielwasser von Seuche umkreiste er die Festungsmauern, die Stille des Mittags nur von dem Kratzen der Schlangenklauen und dem Summen der eingesperrten Insekten gebrochen. Sie zogen von der kühleren Nordmauer fort und die westliche Mauer entlang, kamen an den Toren vorbei, an denen sich die Reiter jeden Morgen versammelten, um ihre Herausforderung zu erklären. Er hatte sich die Nordmauer ausgesucht, um sich darin zu verbergen, sowohl eingedenk der Tatsache, daß er Stunden dort draußen in der Hitze sein würde, und in der Hoffnung, daß ihm die Schatten der windabgewandten Seite der Festung ein wenig Schutz geben würden. Aber er würde die Schattenwesen an der Südmauer bekämpfen - im Süden, wo das Sonnenlicht am stärksten war. Sie begann voraus bereits stärker zu brennen, während sie von den letzten Schatten, die die Brustwehr warf, ins Licht traten.
Sie umrundeten die Ecke zur
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