Shannara VII
wenig, sondern lauschten auf die Geräusche, jeder in eigene Gedanken vertieft. Die Bevölkerung der Stadt wirbelte und brandete umher wie Wellen, die gegen die Felsen eines entfernten Ufers spülten, immer gerade außerhalb der Sichtweite. Mitternacht brach an, und die Menge trieb zu den Bierstuben und Vergnügungshäusern. Die Straßen leerten sich.
Der alte Mann stand auf und nahm Urprox Screls Hand. »Ihr müßt heute nacht Eure beste Arbeit verrichten«, erklärte er fest. »Ihr müßt es tun, wenn wir Erfolg haben wollen.«
Der Schmied nickte. Er war bis zur Taille nackt, und seine Muskeln glänzten vor Schweiß. »Ich werde tun, was nötig ist. Vergeßt Ihr nicht, Euren Beitrag zu leisten.«
Bremen lächelte über die Antwort; die Furchen seines gealterten Gesichts sahen bei dem Licht des Brennofens, das vom Feuer durch die Ritze in der Kohlentür nach draußen flackerte, noch tiefer aus. »Ihr habt keine Angst, nicht wahr?«
»Angst? Vor Feuer und Metall? Davor, nach Tausenden von Waffen eine weitere zu schmieden, auch wenn mit Hilfe der Magie?« Urprox Screl schüttelte den Kopf. »Eher sollte ich Angst vor der Luft haben, die ich atme. Was wir heute nacht machen, unterscheidet sich kaum von dem, was ich mein ganzes Leben getan habe. Mit einer kleinen Abweichung vielleicht, aber nicht mehr. Abgesehen davon, was ist das Schlimmste, das mir passieren kann? Daß ich versage? Das wird nicht geschehen.«
»Magie ist immer unvorhersehbar. Selbst, wenn Ihr sicher in der Anwendung Eurer Fähigkeiten als Schmied seid, könnte es sein, daß es sich bei der Magie anders erweist.«
Der Schmied betrachtete den alten Mann einen Moment eingehend, dann lachte er langsam. »Das glaubt Ihr nicht. Ihr seid so sehr ein Künstler wie ich. Ihr würdet eher sterben als zuzulassen, daß die Magie versagt.«
Es entstand eine lange Stille, als die beiden sich ansahen. Die Luft in der Schmiede flirrte um sie herum, und das Licht des Ofens flackerte. »Ihr prüft mich noch ein letztes Mal«, erkannte der Schmied ruhig. »Macht Euch nicht die Mühe. Es ist nicht nötig. Ich bin bereit für das, was kommt.«
Aber der alte Mann schüttelte den Kopf. »Ich versuche zu prüfen, was dies Euch antut. Man kann nicht mit Magie arbeiten und unverändert daraus hervorgehen. Euer Leben wird niemals mehr so sein wie vorher. Ihr müßt das spüren.«
Urprox Screl warf dem alten Mann ein ironisches Lächeln zu. »Ich hoffe darauf. Laßt mich Euch etwas gestehen. Abgesehen von Mina und den Kindern bin ich das Leben leid. Ich bin es leid, was aus mir geworden ist. Ich habe es nicht verstanden, bis Ihr gekommen seid. Jetzt verstehe ich es nur zu gut. In diesem Augenblick würde ich jede Veränderung willkommen heißen.«
Er spürte, wie die Augen des anderen einen Moment forschend auf ihm ruhten und fragte sich, ob er vielleicht zu voreilig gesprochen hatte.
Dann nickte der alte Mann. »Also gut. Laßt uns beginnen.«
Noch Jahre später kursierten Geschichten darüber, was in jener Nacht geschehen war, Geschichten, die von Mund zu Mund gingen und immer mehr die Formen von Legenden annahmen. Sie kamen aus verschiedenen Quellen, aber alle hatten ihren Ursprung in den kurzen Blicken der Vorbeigehenden, die einen Augenblick stehengeblieben waren, um zu sehen, was da in Urprox Screls großer Schmiede vor sich ging. Die Türen hatten in dieser Nacht offengestanden, damit frische Luft hineinströmen und die verbrauchte Hitze entweichen konnte, und jene, die sich nahe genug herangewagt hatten, waren Zeugen von Visionen geworden, die sie später zu Ausgeburten des Irrsinns erklärten.
In dieser Nacht hatte Urprox Screl ein Schwert geschmiedet, aber der Akt des Schmiedens war es, der für immer Gegenstand von Legenden blieb.
Zwischen denen, die dabei waren, war alles abgesprochen gewesen. Wie Gespenster waren sie durch die rauchige, aschebeladene Luft geglitten und hatten sich vor der Hitze und dem grellen Licht des Schmelzofens geduckt und nur kurz aufgerichtet, um ihren Aufgaben nachzukommen und sich schnell wieder zu bücken. Da war der Schmied, der anerkannte Meister seines Faches, der Mann, der zwei Jahre zuvor die Arbeit aufgegeben hatte und jetzt, für eine einzige Nacht, ohne jemandem ein Wort zu sagen, zurückgekehrt war. Da war der alte Mann, eingehüllt in seinen schwarzen Umhang, ein Mann, der zeitweise nahezu ätherisch wirkte, zeitweise so hart und fest wie Stein. Und dann gab es noch den Grenzländer und das Mädchen. Sie hatten
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