Shannara VII
Mauern lehnen würden. Wind und Regen schienen ihre Bemühungen nicht zu beeinträchtigen. Etwas Stärkeres als die Elemente hatte sie im Griff - Entsetzen, Irrsinn, Angst vor der Kreatur, die sie befehligte. Magie trieb sie an, dunkel und schrecklich, und es mochte durchaus sein, daß sie in ihrem gegenwärtigen Zustand den Tod den Folgen eines Versagens, einer Niederlage vorzogen.
Risca erreichte den Fuß der Treppe und trat aus dem Turm hinaus auf den Hof. Das Schlachtengebrüll fegte über ihn hinweg, eine Kakophonie, die sogar der wüste Sturm nicht übertönen konnte. Ein Rammbock hämmerte gegen die Tore, pochte mit gleichmäßiger geistloser Beharrlichkeit gegen die Portale. Die Tore bebten, hielten aber stand. Oben auf den Zinnen standen die Zwerge und ließen einen so dichten Pfeil- und Speerhagel auf die Menge der Angreifer niederprasseln, daß sie unmöglich ihr Ziel verfehlen konnten. Ein Ölfeuer kletterte an einer Wand empor, die Überreste einer früheren Attacke, der die Zwerge widerstanden hatten. Überall rannten Verteidiger umher, versuchten, Lücken in den Reihen zu füllen. Es waren einfach nicht genug Männer da.
Plötzlich erschien Raybur aus dem Chaos und hob den Arm. »Wir werden ihnen nur so lange standhalten können, bis sie die Leitern fertiggestellt haben«, brüllte er gegen den Wind. »Wir können nicht mehr, Risca!«
Risca nickte. Er war müde und entmutigt. Er war es leid, umherzurennen und gejagt zu werden, und er war wütend, daß es wieder von vorne beginnen würde.
»Die Tunnels sind fertig«, erwiderte er, ohne sich die Mühe zu machen, lauter zu sprechen. Er hatte sich gerade vergewissert, daß ihr Fluchtweg bereit war. Geften hatte die Tunnels selbst ausgekundschaftet und dafür gesorgt, daß sie frei waren. Der Fluchtweg der Zwerge würde von der Rückseite der Burg aus durch den Fels hindurchführen und an der Ostseite des Gipfels münden. Von hier aus würden sie in das dichtbewaldete Tal dahinter hinabsteigen und sich wieder einmal in Luft auflösen.
Raybur zog ihn vom Hof fort und zurück in den Windschatten des Turmeingangs, aus dem er gekommen war. Seine Augen waren ernst.
»Wo bleiben die Elfen?« fragte der Zwergenkönig mit nur mühsam zurückgehaltener Wut.
Risca schüttelte den Kopf. »Sie würden kommen, wenn Tay Trefenwyd eine Möglichkeit gefunden hätte, sie herzubringen. Etwas muß geschehen sein. Etwas, von dem wir nichts wissen.«
Raybur schüttelte mit offensichtlichem Mißmut den bärtigen Kopf. »Das macht diesen Krieg ein bißchen einseitig, findest du nicht? Nur wir und niemand anderes gegen eine Armee wie die da draußen?« Schreie hallten von der Mauer herüber, und die Verteidiger rasten, um eine neue Lücke zu füllen. »Wieviel länger sollen wir uns hier halten? Wir verlieren mit jedem Kampf mehr Männer, und wir können uns nicht leisten, so viele zu verlieren!«
Seine Wut war verständlich. Einer der bereits Gefallenen war sein ältester Sohn. Wyrik war vier Tage zuvor von einem verirrten Pfeil getötet worden. Sie waren auf dem Rückzug über den Anar ins Rabenhorngebirge gewesen und hatten beabsichtigt, die Feste Stedden zu erreichen, als er gefallen war. Der Pfeil war durch seinen Hals ins Hirn gedrungen. Er war auf der Stelle tot gewesen, noch bevor jemand bemerkt hatte, daß er überhaupt getroffen war. Raybur war neben ihm gewesen, als es geschehen war, und hatte ihn in seinen Armen aufgefangen.
Die beiden Männer standen da und starrten sich in den dampfenden Schatten des Eingangs an; jeder konnte in den Augen des anderen lesen, daß er an den Tod des Jungen dachte.
Raybur wandte empört den Blick ab. »Wenn wir nur eine Nachricht hätten, eine Bestätigung, daß Hilfe unterwegs ist…« Er schüttelte wieder den Kopf.
»Bremen würde uns niemals im Stich lassen«, erklärte Risca fest und ruhig. »Was auch immer geschieht, er wird kommen.«
Raybur kniff die Augen zusammen. »Wenn er noch lebt.«
Die Worte hingen messerscharf in der Stille, anklagend, trostlos und voller Verzweiflung.
Dann riß ein schreckliches Geräusch sie aus ihren Gedanken, und ein fürchterliches Grunzen erregte ihre Aufmerksamkeit. Es klang deutlich nach zerreißenden Metallverankerungen und nachgebendem Holz. Die beiden Männer wußten sofort, was es war, aber Raybur rief es als erster aus.
»Die Tore!«
Sie rannten von der Tür fort in die regennasse Nacht. Ein Blitz zerriß die dunkle Wolkendecke. Die Haupttore vor ihnen hatten sich unter dem
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