Shannara VII
auch, daß niemals in der Geschichte der Welt die wichtigen Dinge, das, was zählte, von Gerechtigkeit bestimmt worden waren.
Um Mitternacht stand er auf und ging in die Berge. Er trug den schwarzen Umhang, Zeichen seines Amtes, mit dem Emblem des Eilt Druin auf der Brust, und er hatte Urprox Screls wundersames Schwert bei sich. Er lächelte. Urprox Screls Schwert. Er sollte es anders nennen, denn es gehörte dem Schmied nicht länger. Aber er hatte noch keinen Namen dafür und konnte ihm auch keinen geben, solange nicht der richtige Besitzer gefunden oder das Ziel des Schwertes bestimmt war. Also schob er die Frage nach dem Namen des Schwertes beiseite, atmete die frische Nachtluft ein, die in diesen Ausläufern kühl und so klar war, daß er glaubte, unendlich weit in die Ferne blicken zu können.
Er durchquerte einige kleinere Täler und Hohlwege, die in das Tal von Shale führten, und als er sein Ziel erreicht hatte, waren es immer noch einige Stunden bis Morgenanbruch. Er stand eine Zeitlang am Rande des Tals und schaute hinunter zum Hadeshorn. Der See war still und die Oberfläche glatt wie Glas, sie warf das Bild des hellen, sternenklaren Nachthimmels zurück. Er schaute in den Spiegel des ruhigen Wassers und ertappte sich bei der Frage, welche Geheimnisse es wohl verbarg. Hier, in den Tiefen dieses Sees, warteten die Antworten, von den Geistern der Toten gehortete Schätze, vielleicht, weil dies alles war, das von dem Leben, von dem sie sich verabschiedet hatten, übriggeblieben war, vielleicht, weil man im Tod so wenig besaß, was man sein eigen nennen konnte.
Er setzte sich auf einen Stein, starrte hinaus auf den See und grübelte über dessen Geheimnisse. Wie mochte es wohl sein, wenn das Leben beendet war und man den Körper abstreifte? Wie lebte es sich in den Wassern des Hadeshorn? Fühlte man im Tod ähnlich wie im Leben? Trug man sämtliche Erinnerungen mit sich? Hatte man die gleichen Bedürfnisse und Wünsche? Gab es noch einen Zweck im Dasein, wenn der Körper zurückgeblieben war?
Soviel Unbekanntes, dachte er. Aber er war alt, und die Geheimnisse würden sich ihm bald genug offenbaren.
Eine Stunde vor Anbruch des Morgens nahm er das Schwert und ging hinunter ins Tal. Er bahnte sich seinen Weg vorsichtig über lose scharfkantige Felsbrocken und bemühte sich angestrengt, nicht an das zu denken, was vor ihm lag. Er zog sich tief in sein Inneres zurück und sammelte seine Gedanken, versuchte sich Klarheit zu verschaffen über das, was er wollte. Die Nacht war friedlich und ruhig, aber er konnte bereits spüren, wie sich unter der Erde etwas rührte. Er kam zum Ende des Pfades und trat an den Rand des Hadeshorn. Einen Augenblick lang blieb er reglos stehen, und ein Gefühl von Unsicherheit stieg in ihm auf. Soviel hing von dem ab, was als nächstes geschehen würde, und er wußte so wenig darüber, was er tun sollte.
Er legte sein Schwert am Rand des Wassers vor sich nieder und richtete sich auf. Jetzt konnte er nichts mehr ändern. Die Zeit verrann nach ihren eigenen Gesetzen.
Er begann mit den Beschwörungsformeln und Handbewegungen, die die Geister der Toten herbeirufen würden. Mit grimmiger Entschlossenheit kämpfte er sich zu ihnen durch, verbiß sich so viele Zweifel und Unsicherheiten und legte soviel Angst wie möglich beiseite. Er spürte, wie die Erde unter ihm bebte und der See in Reaktion auf seine Bemühungen in Bewegung geriet. Der Himmel wurde dunkel, als verhüllten Wolken ihn, und die Sterne verschwanden. Wasser zischte und brodelte, und die Stimmen der Toten erhoben sich zu einem Wispern, das sich schnell zu Stöhnen und Rufen steigerte. Bremen spürte, wie seine Entschlossenheit stärker wurde, als wollte sie ihn in irgendeiner Weise vor dem beschützen, was die Toten mit ihm tun könnten. Er hatte die Beschwörung jetzt beendet, nahm das Schwert wieder auf und trat einen Schritt zurück. Wüst wirbelte der See und versprühte Gischt in alle Richtungen. Die Stimmen schwollen zu einer ungeheuerlichen Kakophonie an, die sich am Rand des Wahnsinns bewegte. Der Druide stand wie angewurzelt an seinem Platz und wartete auf das, was kommen mußte. Er war jetzt eingeschlossen in dem Tal und abgeschnitten von allen Lebenden, ganz allein mit den Toten.
Wenn etwas schiefging, war niemand da, um ihm zu helfen. Wenn er versagte, würde keiner nach ihm suchen. Was immer geschehen würde an diesem Tag, es lastete auf seinen Schultern.
Dann explodierte der See mit einer geradezu
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