Shannara VII
über der Front am Leben zu bleiben. Geschick, Mut und Erfahrung waren notwendig - und natürlich mehr als nur ein bisschen Glück. Der Kapitän besaß all dies im Übermaß. Fast sein ganzes Leben hatte er in der Luft verbracht, war mit sieben Schiffsjunge geworden, Erster Offizier mit fünfzehn, Kapitän mit zwanzig. Wenn der Wind des Glücks drehte, sagten die alten Matrosen, wusste Redden Alt Mer am besten, wie man darauf segelte.
Der Mann aus dem Volk der Fahrenden dachte darüber nicht nach. Es brachte Unglück, im Krieg über das Glück nachzudenken. Und wirkliches Pech war die Folge, wenn man darüber grübelte, warum man anders als die anderen war. Eine Ausnahme von der Regel zu sein war schön und gut, doch wer wollte schon die Gründe erfahren, warum man selbst noch lebte und die anderen tot waren. Das war klarem Verstand nicht gerade förderlich.
Während er durch das Lager ging, scherzte er mit einigen, die er kannte, winkte anderen zu. Er wusste, was sie von ihm hielten, und er überspielte es, wie es ein alter Freund getan hätte. Es tat ihm schließlich nicht weh. In einem Krieg konnte man gar nicht genug Freunde haben.
Drei Jahre steckte er jetzt in diesem, und zwei davon saßen sie auf dem breiten Rücken der prekkendorranischen Anhöhe fest, während sich die Bodentruppen der Föderation und der Freien Tag für Tag gegenseitig die Köpfe blutig schlugen. Er war ein Fahrender, der aus dem Seehafen March Brume im Südwesten der Blauen Spalte stammte, und er hatte bereits zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen mitgemacht, ehe er sich hier gemeldet hatte. Ohne Übertreibung durfte er behaupten, dass er sein Leben auf Kriegsschiffen verbracht hatte. Er wäre sogar fast auf einem geboren worden, aber sein Vater, selbst ein Kapitän, hatte es gerade noch geschafft, mit seiner Mutter einen Hafen zu erreichen, ehe die Wehen einsetzten. Doch von dem Zeitpunkt an, als er Schiffsjunge geworden war, hatte er in der Luft gelebt. Er konnte nicht erklären, was ihm daran so gut gefiel; es war schlicht und einfach so. Es fühlte sich gut an zu fliegen, als würde ein Netz von Zwängen und Fesseln gekappt und er plötzlich wirkliche Freiheit genießen. Wenn er auf dem Boden war, dachte er immer nur daran, in die Luft zurückzukehren. War er in der Luft, dachte er an nichts anderes.
»Hey, Käpt’n!« Ein Fußsoldat, der den Arm in einer Schlinge trug und dessen eine Gesichtshälfte verbunden war, humpelte auf ihn zu. »Puste mir ein bisschen von deinem Glück herüber!«
Redden Alt Mer grinste und blies in seine Richtung. Der Soldat lachte und winkte mit dem gesunden Arm. Der Fahrende ging weiter, schnupperte an der Luft, schmeckte sie und vermisste währenddessen das Meer. Den größten Teil seiner Zeit in der Luft hatte er im Westen über der Blauen Spalte verbracht. Wie die meisten Fahrenden war er ein Söldner, trat in die Dienste, die ihm die höchsten Geldsummen einbrachten, und schwor jenen Treue, die ihn dafür bezahlten. Im Augenblick bot die Föderation den besten Sold an, und daher kämpfte er für sie. Aber langsam wurde er unruhig; ihm stand der Sinn nach Veränderung und etwas Neuem. Der Krieg mit den Freien dauerte bereits zehn Jahre an. Um es offen zu sagen, sein Krieg war das nicht, und seiner Meinung nach ergab er auch nicht viel Sinn. Geld konnte einen Mann nur zum Mitmachen bewegen, wenn er nicht auf sein Herz hörte.
Außerdem, gleichgültig, wo man war, früher oder später ging das Glück zur Neige. Besser war man bereits an einem anderen Ort, wenn das geschah.
Zwischen dem Durcheinander von Zelten und Lagerfeuern trat er hinaus auf den Flugplatz. Die Kriegsschiffe waren an ihren Plätzen festgebunden und schwebten knapp über dem Boden; die leichten Segel an ihren Zwillingsmästen waren der Sonne zugeneigt. Die meisten hatte die Föderation gebaut, was man deutlich sah. Große, hässliche, sperrige Rohlinge, die mit Metall bewehrt und mit den Farben und Insignien ihrer Regimenter bemalt waren. Sie lümmelten im Himmel herum wie verirrte Kletterpflanzen. Beim Transport von Truppen und Rammen leisteten sie hervorragende Dienste. Doch wenn man mit ihnen in der Schlacht rasch und leicht kreuzen wollte, blieb einiges zu wünschen übrig. Ihre Lebenserwartung an der Front entsprach der ihrer Kapitäne, und die war nicht besonders hoch.
Er ging weiter und würdigte sie kaum eines Blickes. Gescherzt, wie zwischen ihm und den Fußsoldaten, wurde hier nicht. Die Offiziere und
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