Shannara VII
beiden schienen nicht sicher zu sein, was sie tun sollten.
»Versteht ihr nicht?«, fragte sie und stieß mit dem Zeigefinger auf das Papier. »Die Armee kann es sich nicht leisten, ihren besten Luftschiffkapitän im Pferch festzusetzen, während der Krieg weitergeht. Nicht bloß deshalb jedenfalls, weil es irgendein Offizier der Föderation für eine gute Idee hält. Kommt schon! Gebt mir meine Waffen! Ihr habt den Befehl lange genug angestarrt. Was ist los, könnt ihr nicht lesen?«
Inzwischen starrte sie die zwei finster an. Keiner erwiderte ein Wort.
»Soll ich den Kommandanten etwa noch einmal wecken? Er war beim ersten Mal schon sauer genug.«
»Schon gut, schon gut«, sagte die erste Wache hastig und schob das Stück Papier zurück.
Er reichte ihr die Messer, das Rapier und die Schleuder und scheuchte sie durch das Tor zurück ins Lager. Schweigend gingen sie einige Schritte, ehe Redden Alt Mer sagte: »Das glaube ich einfach nicht.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Sie können nicht lesen. Sogar wenn sie es könnten, würde das nichts ändern. Wenn sie danach gefragt werden, behaupten sie bestimmt, ich hätte einen Entlassungsbefehl vorgezeigt, der vom Kommandanten unterzeichnet war. Wer sagt denn, ich hätte keinen gehabt? Wir sind in der Armee, großer Bruder. Soldaten geben nichts zu, was ihnen irgendwelche Schwierigkeiten bereiten könnte. Ein oder zwei Tage werden sie sich aufregen und dann entscheiden, dass sie sich freuen können, weil sie uns los sind.«
Ihr Bruder rieb sich die Arme und blickte hinauf in den makellos blauen Himmel. »Drei Jahre an diesem verfluchten Ort. Geld oder nicht, das war eine verdammt lange Zeit.« Erschöpft seufzte er und klopfte sich auf den Schenkel. »Trotzdem hasse ich den Gedanken, die Schwarze Moclips im Stich zu lassen. Ja, das fällt mir richtig schwer.«
Sie nickte. »Ich weiß. Zuerst habe ich daran gedacht, sie einfach zu übernehmen. Aber es wäre schwer, sie zu stehlen, Großer Roter. Zu viele Wachen.«
»Wir besorgen uns ein anderes Schiff«, versprach er und beendete das Thema damit. Ein wenig kehrte der alte Schwung in seinen Schritt zurück. »Irgendwo.«
Sie gingen am Südrand des Lagers entlang zu den Pässen, die hinaus in die Berge vor der Stadt Dechtera und dem Grasland im Westen führten. Wenn sie erst den Rappahalladran und die Ebene dahinter durchquert hatten, wären sie zu Hause.
Vor ihnen erwartete sie Furl Hawken in einem Graben mit zahlreichen anderen Fahrenden, den Pferden und den Vorräten.
»Hawk!«, rief Redden Alt Mer und winkte ihm zu. Dann blickte er über die Schulter zum Lager zurück. »Nun, eine Zeit lang war es ganz lustig. Nicht so lustig, wie es jetzt werden wird, natürlich, gleichgültig, wohin uns der Weg führt, aber es gab einige schöne Augenblicke.«
Rue Meridian lächelte. »Mein Bruder, der ewige Optimist.« Sie strich sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht. »Hoffentlich hast du diesmal Recht.«
Zehn Minuten später hatten sie die Armee der Föderation hinter sich gelassen und ritten gen Westen zur Küste der Blauen Spalte.
Kapitel 40
Beim ersten Tageslicht schlüpfte der Druide, den man unter dem Namen Walker kannte, aus seinem Schlafzimmer, das man ihm bei seiner Ankunft in der vergangenen Nacht gegeben hatte. Arborlon lag noch in tiefem Schlaf, die Elfenstadt ruhte, und nur die Nachtwache und jene, deren Arbeit frühes Aufstehen erforderte, waren wach. Die große, schlanke, schattenhafte Gestalt in ihrer schwarzen Robe glitt geräuschlos aus dem Palast und durch die Straßen und Gassen der Stadt zum breiten Bogen des Carolan. Er war sich der Leibgarde bewusst, die ihm folgte, einem einzelnen Elfenjäger, der ihm vom König zugeteilt worden war. Allardon Elessedil war kein Mann, der ein Risiko einging, und so überraschte Walker die Gegenwart des Wachhundes nicht, und er ließ die Angelegenheit auf sich beruhen.
Auf den Anhöhen, wo man vom Carolan aus die Westlandwälder bis zu den zerklüfteten Gipfeln des Steinkamms im Süden überblicken konnte und nach Norden bis hin zum Kensrowegebirge schaute, blieb er stehen. Die ersten Strahlen der Sonne kamen über die Berge hinter ihm, doch noch immer umschloss die Nacht das Land im Westen mit purpurfarbenen und grauen Schatten, die an den Wipfeln und Gipfeln hingen wie Schleier. In der irdenen Schüssel des Sarandanon spiegelten kleine Seen und Flüsse das erste Licht mit silbernen Blitzen inmitten des Karomusters von Bauernhöfen und Feldern. Weiter
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