Shannara VII
draußen schimmerte das Wasser des Innisbore rau und metallisch, und die Oberfläche war mit einzelnen Nebelschwaden bedeckt. Irgendwo dahinter lag die riesige Blaue Spalte, und dorthin musste er irgendwann ziehen.
Er betrachtete das Land, studierte es sorgsam und sog die Farben und Formen in sich auf. Er dachte an die Geschichte dieser Stadt. Wie sie in der Zeit von Eventine Elessedil dem Angriff der Dämonen widerstanden hatte, die sich aus dem Bann der Verfemung befreien konnten, weil der Ellcrys im Sterben lag. An ihre Reise aus dem Westland zur Insel Morrowindl - Gebäude, Einwohner und Geschichte waren verschwunden, als hätte es sie niemals gegeben. An ihre Rückkehr in die Vier Länder mit Hilfe von Wren Elessedil, als die Stadt der Attacke der Schattenwesen widerstanden hatte. Immer waren Elfen und Druiden Verbündete gewesen, die durch das gemeinsame Verlangen nach Freiheit für ihre Länder und ihre Völker aneinander gebunden wurden.
Was, fragte er sich düster, war aus diesem Bündnis geworden?
Unter den Anhöhen schäumte der Singende Fluss laut an seinen Ufern. Er war von der Schneeschmelze in den Bergen und den Regenfällen des Frühjahrs angeschwollen. Der Druide lauschte dem tröstenden, fernen Rauschen des Wassers, das durch die Bäume herüberhallte. Reglos stand er in der ansonsten herrschenden Stille, die er nicht stören wollte. Es fühlte sich eigentümlich an, wieder hier zu sein aber gleichzeitig auch sehr schön. Seit fünfundzwanzig Jahren hatte er Arborlon nicht mehr besucht. Er hatte nicht geglaubt, noch einmal hierher zu kommen, so lange Allardon Elessedil lebte. Bei ihrer letzten Begegnung war zwischen ihnen eine Kluft entstanden, die anscheinend durch nichts zu überbrücken war. Dennoch stand er jetzt hier, und die Kluft, die so tief erschienen war, wirkte nun belanglos.
Seine Gedanken schweiften umher, als er sich abwandte. Aus reiner Verzweiflung war er zum Elfenkönig nach Arborlon gekommen. All seine Anstrengungen, durch Verhandlungen eine Vereinbarung mit den Rassen herbeizuführen, sodass diese Repräsentanten nach Paranor entsandten, die nach Art der Druiden studierten, waren fehlgeschlagen. Seitdem hatte er allein in Paranor gelebt und sich wieder der Aufgabe gewidmet, die Geschichte der Vier Länder aufzuzeichnen. Ansonsten gab es wenig für ihn zu tun. Verbitterung hatte sich in ihm breit gemacht. Er war in einem Leben gefangen, wie er es sich niemals gewünscht hatte. Nur mit Widerwillen war er ein Druide, den der Schatten Allanons angeworben hatte, und zwar in einer Zeit, in der es keine weiteren Druiden gab und die Anwesenheit von wenigstens einem für das Überleben der Rassen von außerordentlicher Wichtigkeit war. Er hatte das Erbe Allanons angetreten, nicht, weil er es in irgendeiner Weise begehrte, sondern weil Schicksal und Umstände sich verschworen und ihn in eine Position gebracht hatten, in der nur er allein diese Verpflichtung erfüllen konnte. Dies hatte er aus einem Gefühl der Verantwortung getan, weil er hoffte, es möge das Ansehen und die Arbeit der Druiden verändern und er könne einen Weg für den Orden finden, auf dem dieser den Fortschritt der Zivilisation durch gemeinsame Studien und demokratische Teilhabe aller Bewohner der Vier Länder überwachen würde.
Er schüttelte den Kopf. Wie töricht er gewesen war, wie naiv. Die Unterschiede zwischen den Nationen und Rassen waren zu groß, als dass eine einzelne Körperschaft, geschweige denn ein einzelner Mann, sie überwinden konnte. Seine Vorgänger hatten das durchschaut und entsprechend reagiert. Zuerst muss man Stärke zeigen, dann Vernunft walten lassen. Macht verlangte Respekt, und Respekt bot eine Plattform, von der aus man Vernunft einfordern durfte. Er besaß weder das eine noch das andere. Abgesehen davon war er ein Ausgestoßener, ein Einzelgänger, der in den Augen der meisten nicht mehr in diese Zeit gehörte. Seit den Tagen Allanons waren die Druiden aus den Vier Ländern verschwunden. Das war lange her, und niemand erinnerte sich mehr an das, was sie eigentlich gewesen waren. Niemand brachte ihnen mehr Respekt entgegen. Keiner diente ihnen als Katalysator für die Veränderungen in einer Welt, in der Wandel langsam, widerwillig und in winzigen Schrittchen vor sich ging.
Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust, als wolle er damit die bittere Erinnerung vertreiben. Das alles gehörte der Vergangenheit an. Vielleicht konnte es nun dort vergraben werden. Möglicherweise hatte er
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