Shannara VII
Himmel tauchte wieder über ihnen auf, blau und einladend, und die Talsohle erschien wie ein grünes Meer, das von feuchter Farbe überzogen war. Redden Alt Mer ließ das Luftschiff tiefer gehen, bis es sich nur noch wenige Meter über den Wipfeln befand, dann fuhr er vorsichtig weiter geradeaus. Walker suchte das Ende der Schlucht ab, wo die gegenüberliegenden Felswände einander so nahe kamen, dass sich die an ihnen wachsenden Bäume fast mit den Ästen berührten. Weiter ging es mit dem Schiff nicht mehr. Von hier aus mussten sie zu Fuß gehen.
Also brachte Redden Alt Mer die Jerle Shannara nun tiefer herunter, bis die Baumwipfel am Rumpf kratzten. Walker und die vier Elfenjäger lösten ihre Sicherheitsleinen und stiegen in den Korb. Mehrere Hände schoben sich über die Reling, und langsam wurden sie zwischen Bäumen hinuntergelassen.
Nachdem sie den Boden erreicht hatten und aus dem Korb ausgestiegen waren, gab Walker Rue Meridian, die noch immer über dem Bug hing, ein Zeichen, dass sie sicher unten angekommen waren. Dann stand er reglos in der Stille, sammelte sich und suchte nach verborgenen Gefahren. Nichts. Obwohl er die Umgebung sorgsam absuchte, konnte er nichts Bedrohliches entdecken.
Trotzdem stimmte hier etwas nicht.
Dann fiel es ihm auf. Der Dschungel war eine dichte, undurchdringliche Mauer aus Leere und Stille. Keine Vögel, dachte Walker.
Nichts. Nicht einmal ein Insekt zirpte. Außer denen, die in der Erde wurzelten, gab es hier keine anderen Lebewesen.
Der Nebel hatte sich so weit aufgelöst, dass Walker eine Öffnung in den Felswänden erkennen konnte, und er bedeutete Ard Patrinell mit dem Kopf, in diese Richtung loszugehen. Der Anführer der Elfen erwiderte nichts, wandte sich seinen Jägern zu und gab ihnen mit Handzeichen seine Befehle. Ein kräftiger Elf namens Kian übernahm die Führung. Walker ging hinter ihm, dann Patrinell, dann der schlanke Brae und der große Dace. Sie betraten die schmale Spalte, schauten sich wachsam um und waren sich der Gefahr bewusst, mit der sie zu rechnen hatten. Walker suchte den düsteren Dschungel weiterhin mit seinen magischen Fühlern ab, die sanft wie Federn über die Umgebung strichen. An die Spalte schloss sich ein schmaler Korridor an, der ungefähr fünf Meter breit und voller Bäume und Rankpflanzen war. Zwar gab es einen Weg, doch der wand sich hin und her, und man musste sich durch die Vegetation drängen. Um sie herum herrschte Stille.
Es ging stetig weiter voran, ohne dass sie ein Lebenszeichen von Tieren wahrgenommen hätten. Der schmale Korridor verbreiterte sich in einen zweiten Cañon, und der Himmel erschien wieder blau über ihnen. Das Sonnenlicht besprenkelte die Bäume und erhellte den Dunst. Durch einen weiteren Engpass erreichten sie schließlich einen dritten Cañon, der noch größer war.
Plötzlich wurde Walker hin und her geworfen wie ein winziger Käfer, der von der Hand eines Riesen gepackt wurde. Dieses Etwas kam aus der Erde und fegte so rasch über ihn hinweg, dass ihm keine Zeit zum Reagieren blieb. Für einen Augenblick war er wie betäubt. Vielleicht war dieses Etwas die ganze Zeit da gewesen, vielleicht hatte es ihn auch gerade erst entdeckt. Es war sehr kräftig, hatte keine identifizierbare Form und keine Substanz. Dafür befand es sich überall um ihn herum, und obwohl für das Auge unsichtbar, war es unzweifelhaft real. Er erschlaffte unter dem Griff, bot keinen Widerstand und ließ es glauben, er sei hilflos. Die Elfenjäger starrten ihn verwirrt an und begriffen nicht, was vor sich ging. Er beachtete sie nicht, gab keinen Hinweis darauf, dass er sich ihrer Gegenwart bewusst war. So verschwand er in sich selbst, ganz unten, wo ihn nichts berühren konnte. Dort, gut verborgen, wartete er ab.
Einige Augenblicke später zog sich die Präsenz zurück und glitt, zufrieden vielleicht, weil sie nicht bedroht wurde, in die Erde zurück.
Walker schüttelte die Nachwirkungen der Berührung ab und holte tief Luft. Der Angriff hatte ihn erschüttert. Was auch immer in diesem Tal lebte, es besaß eine Kraft, gegenüber der seine eigene winzig wirkte. Es war alt, das hatte er festgestellt, vielleicht so alt wie die Feenwelt. Mit einem Zeichen gab er den Elfen zu verstehen, dass mit ihm alles in Ordnung war, dann blickte er sich rasch um. An dieser Stelle wollte er nicht länger bleiben als notwendig. Eine öde, leere Felserhebung bildete einen runden Höcker in der Mitte des Cañons, eine sonnenüberflutete Zuflucht
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