Shannara VII
Dunkles, Formloses. Ich konnte keine Blicke spüren, Walker. Ich fühlte nur seine Gegenwart, eine unsichtbare Regung in der Luft, durchdringend und bösartig.«
Keine Blicke. War es vielleicht das Blinde?, grübelte Walker über die Worte des Gestaltwandlers.
»Diese Gegenwart hat mich durch das ganze Tal begleitet, aber sie hat mich nicht belästigt, bis ich mich der Höhle näherte.« Truls Rohk schien darüber nachzudenken. »Es befand sich in der Erde selbst, Druide. Im Boden des Tals, in den Pflanzen und Bäumen.« Er zögerte kurz. »Wenn es sich entschließt, dich zu fangen, kannst du nicht davor weglaufen. Ich bin nicht einmal sicher, ob du ihm ausweichen kannst.«
Damit verschwand er so plötzlich, wie er gekommen war, und Walker stand allein an der Reling.
Der Dämmerung folgte ein heller warmer Tag über einem ruhigen, beinahe unbewegten Meer. Der Wind hatte sich ganz gelegt, der Himmel präsentierte ein wolkenloses Silberblau. Überall war der Horizont eine tiefe Leere, in der Luft und Wasser miteinander verschmolzen. Seevögel drehten ihre Kreise und kreischten, stießen von den Klippen herab und tauchten in den Ozean. Dicke Nebelfelder hingen an den Gipfeln und in den Tälern der Insel, verbargen ihre Geheimnisse und hüllten sie selbst in Düsternis.
Walker wählte Ard Patrinell und drei Elfenjäger zu seiner Begleitung aus. Erfahrung und Schnelligkeit zählten im Dschungel mehr als Kraft, und der Druide wollte erfahrene Männer bei sich haben, um sich dem zu stellen, was immer dort Wache hielt. Redden Alt Mer würde sie mit der Jerle Shannara so weit wie möglich in die schmale Schlucht bringen. Dann würden der Druide und die Elfenjäger im Korb herabgelassen werden und den restlichen Weg zu Fuß zurücklegen. Mit ein bisschen Glück brauchten sie nicht weit zu gehen. Nachdem Walker den Schlüssel geborgen hätte, würden sie zum Korb zurückkehren und sich nach oben ziehen lassen.
Als sich die Männer versammelten, sah Walker die Nervosität in ihren Augen. Sie erinnerten sich an die Aale mit ihren riesigen Mäulern und scharfen Zähnen, aber niemand verlor ein Wort darüber. Der Druide war mit dem nicht erprobten Quentin Leah auf die Insel hinabgestiegen, hatte den Schlüssel geholt, und niemand war ernsthaft verletzt worden. Sie fragten sich, ob ihnen das Glück jetzt ebenso hold sein würde.
Mit angelegten Sicherheitsleinen steuerte Redden Alt Mer die Jerle Shannara langsam an den Klippen hinunter und in den Nebel, der im Tal lag. Das Licht der Dämmerung blieb hinter ihnen zurück, als das Luftschiff leise zwischen die Bergspitzen glitt und in der Düsternis verschwand. Man konnte kaum mehr zwei Dutzend Meter weit sehen. Alt Mer stand am Ruder und brachte sein Schiff quälend langsam voran. Rue Meridian hielt sich bei den vorderen Rammen auf, spähte in den Nebel und rief ihrem Bruder zu, was sie sah und wie er den Kurs korrigieren sollte. Ansonsten standen alle schweigsam an der Reling, hielten Ausschau und lauschten. Der Nebel legte einen feinen, feuchten Glanz über sie, auf Haut und Kleidung bildeten sich Tröpfchen. Außer dem Nebel, der sich schwerfällig und träge wie ein altes Behemoth bewegte, war es still um sie herum.
Während die Minuten verstrichen und die Dunkelheit nicht nachließ, begann Walker sich Gedanken über die Sicht am Talboden zu machen. Falls er nicht mehr sehen konnte als hier oben, wie würde er dann den Weg finden? Seine Druidensinne halfen ein wenig, aber keine Magie konnte den Verlust des Sehens vollständig ersetzen. Sie würden buchstäblich blind sein.
Er hielt inne. Da war es wieder, dieses Wort. Blind. Es erinnerte ihn an Ryer Ord Stars Vision, an das Ding, das auf dieser Insel auf sie wartete - etwas, das blind war, das dich jedoch trotzdem finden würde. Er richtete seine Sinne auf das, was Truls Rohk in der vergangenen Nacht gespürt hatte. Aber in der Luft konnte er nichts entdecken.
Vor ihnen wurde der Nebel ein wenig lichter, und die Steilwände kamen rasch näher. Redden Alt Mer brachte das Schiff zum Stillstand und wartete, bis die Kleine Rote Meldung machte. Die hing am Bug in ihrer Sicherheitsleine, spähte in den Dunst und winkte ihn dann vorsichtig voran. Äste ragten aus dem Nebel, geisterhafte Finger, die nach dem Luftschiff griffen. Kletterpflanzen klebten an den Bäumen und an den Felswänden.
Dann löste sich der Nebel vollends auf, und die Jerle Shannara schob sich in einen Cañon, der überraschend offen und frei war. Der
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