Shannara VIII
beharrt, ihn zu suchen, hatte daran geglaubt, ihre einzige Chance, Castledown zu entfliehen, liege darin. Anscheinend hatte sie damit Recht behalten, denn wären sie nicht unter die Erde gestiegen, hätte Walker hier weiterhin unentdeckt gelegen, weder ganz tot noch wirklich lebendig, weder das eine noch das andere, sondern in einem Zwischenzustand gefangen, einem entsetzlichen, widerwärtigen, unmenschlichen Zustand.
Doch nachdem sie den Druiden jetzt gefunden hatten, wie würden sie ihn retten? Was sollten sie tun? Ob sie diese Aufgabe mit Erfolg lösen konnten, vermochte er nicht einzuschätzen.
»Ryer?«, fragte er erneut.
Sie reagierte nicht darauf. Was machte sie nur? Er blickte sich nervös um, denn sie verweilten schon eine ganze Zeit in diesem Raum und gingen ein großes Risiko ein. Früher oder später würde die Magie des Phönixsteins nachlassen, und dann würden sie entdeckt werden. In dem Fall konnte sie nichts mehr retten. Tapferkeit und guter Vorsatz würden nichts zählen.
»Ryer!«, zischte er.
Zu seinem Erstaunen schlug sie die Augen auf, als wäre sie plötzlich erwacht, und schaute ihn an. In ihrem Blick lag ungezügelte Freude und eine grenzenlose Hoffnung, sodass ihm einen Moment lang die Worte fehlten.
»Er ist zurück!«, hauchte sie, und Tränen traten ihr in die Augen. »Er ist frei, Ahren!«
Frei wovon?, fragte sich Ahren. Der Druide machte keinen besonders befreiten Eindruck. Aber der Elfenprinz nickte und lächelte, als glaube er ihr, was sie gesagt hatte. Er streckte die Hand aus und wollte ihren Arm ergreifen, um ihr beim Aufstehen zu helfen, aber sie hielt ihn mit einer Geste von sich fern.
»Nein. Warte. Wir müssen abwarten. Noch ist nicht der rechte Augenblick gekommen.« Sie schloss die Augen und schmiegte sich abermals fest an den Druiden. »Er geht noch einmal hinein. Um Antrax zu finden. Und die Bücher der Magie zu suchen. Ich muss währenddessen bei ihm bleiben und für ihn da sein.«
Erneut wurde sie still, atmete ruhig, strich über die Stirn des Druiden und drückte mit den Fingerspitzen auf die Schläfen. »Die Maschinen wissen noch nicht Bescheid. Sie dürfen auch nichts erfahren. Das muss ich verhindern. Bleib bitte in meiner Nähe, Ahren.«
So richtig begriff er nicht, wovon sie sprach und was sie tun wollte, um Walker zu helfen, aber die Eindringlichkeit ihrer Bitte war nicht zu überhören. Er stellte sich neben sie, neben den Druiden, fühlte sich einsam und verwundbar und verloren und stand hilflos und schweigend da, während er daraufwartete, was als Nächstes geschehen würde.
Kapitel 20
Nachdem er aus dem von Drogen ausgelösten Mahlstrom der Illusionen, mit denen Antrax Kontrolle über ihn ausgeübt hatte, aufgetaucht war, zog sich Walker an Ryer Ord Stars empathischer Kraft hoch, um nicht wieder unterzugehen. Er schwamm gegen die heftige Strömung an, doch zumindest hatte er begriffen, was man ihm angetan hatte. Seinem Sturz in den Schacht des Turms, nachdem er den Feuerstrahlen und Kriechern entkommen war, folgten der Verlust des Bewusstseins und die Gefangennahme. Man hatte ihn sofort unter Drogen gesetzt und gelähmt, dann in diesen Raum gebracht, in dem er festgeschnürt und seiner Kraft beraubt wurde. Die Methode war wohl überlegt und effektiv: Man ließ das Opfer denken, es befinde sich weiterhin in Freiheit, ließ es kämpfen und saugte die magischen Kräfte ab, die es dabei einsetzte. Die Schläuche, die mit seinem Körper verbunden waren, versorgten ihn mit Flüssigkeit und Drogen und hielten ihn am Leben - allerdings bestand dieses Leben aus einem Traum, der niemals Wirklichkeit geworden war. Wäre die Seherin nicht erschienen, hätte er diesen Zustand bis zu seinem Tod durchleiden müssen.
Dass er seine Situation nun verstand, tröstete ihn nicht. Kael Elessedil musste seine Tage in gleicher Weise verbracht haben, wobei er immer wieder die Elfensteine gebrauchte, da er sich für frei hielt und nicht mehr tun konnte, als immer weiter zu fliehen. Volle dreißig Jahre musste er so gelebt haben, bis er zu alt oder zu schwach geworden war, um weiterhin von Nutzen zu sein. Daraufhin hatte Antrax ihn nach Hause geschickt und ein letztes Mal eingesetzt, um einen Ersatz herbeizulocken.
Antrax durfte sich glücklich schätzen. Er hatte nicht nur ein, sondern gleich mehrere potenzielle Opfer in seine tödliche Falle gelockt, nicht nur den Druiden, sondern auch Ahren Elessedil, Quentin Leah und vielleicht sogar Bek Ohmsford, die alle über
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