Shannara VIII
würde schnell reagieren, und deshalb war es unmöglich, mehr mitzunehmen. Vielleicht gelänge es ihm, Antrax zu zerstören; zumindest musste er versuchen, die Bedrohung zu verringern, die von ihm ausging. Doch wenn er den Hüter angriff, bestand durchaus die Gefahr, dass er dabei die Bibliothek selbst ebenfalls vernichtete. Antrax kampfunfähig zu machen bedeutete, ihn von seiner Energiequelle abzuschneiden. Dabei würde er jedoch vielleicht auch jene Systeme herunterfahren, die die Bücher beschützten. Die Bücher waren alt und vermutlich in einem entsprechenden Zustand. Wenn man sie transportierte, drohte durchaus die Gefahr, dass sie einfach zu Staub zerfielen. Sie zu finden, war eine Sache; sie lange genug instand zu halten, bis man sie lesen konnte, eine ganz andere. Mit Hilfe seiner Magie könnte er einige retten, allerdings nur einige wenige. Daher musste er eine Auswahl treffen. Und zwar eine weise Auswahl.
Das erinnerte ihn an ein Kinderspiel. Wenn du auf eine einsame Insel ziehen würdest und nur ein paar wenige Gegenstände mitnehmen könntest, welche würden das sein? Genau diese Frage musste er beantworten. Welche Bücher wären die wichtigsten? Welche würden seiner Welt und ihren Bewohnern von Nutzen sein? Mit welchen Büchern könnten die Druiden das Leiden der Menschheit am meisten lindern? Bücher über Heilkunde? Bücher über Landwirtschaft? Bücher über Baukunst? Bücher über die Geschichte der Alten Welt? Welche denn nun?
Diese Auswahl traf er nicht gern. Lieber hätte er sie jemand anders überlassen, nur war da niemand. Welche Entscheidung er auch traf, welche Bücher er auch mitnahm, er würde Fehler machen. Das war unvermeidlich. Schließlich konnte er nicht in die Zukunft schauen, und in mancherlei Hinsicht bestimmte erst die Zukunft, welches Wissen notwendig sein konnte. Niemand wusste, was gebraucht werden würde, bis die Zeit gekommen war. Ebenso gut könnten die Bücher, die er mitnahm, missbraucht werden und Vernichtung und Zerstörung anrichten.
Er hätte Ryer Ord Stars Fähigkeit gebraucht, in die Zukunft zu schauen, doch selbst ihre Gabe hätte ihm nur wenig Nutzen gebracht. Einige knappe Einblicke in die Zukunft würden ihm nicht weiterhelfen. Es war ihm nicht dienlich, die Ereignisse planlos aus ihrem Zusammenhang gerissen zu sehen. In die Zukunft zu sehen hatte lediglich dann Sinn, wenn man umfassende Kenntnisse über die vor ihnen liegende Zeit erhielt.
Sogar dann, räumte er ein, standen die Chancen schlecht, die wichtigsten und notwendigsten Bücher zu erwischen. Die Zukunft wurde von unendlich vielen Faktoren beeinflusst, sie war von zu vielen Variablen abhängig. Veränderte man eine davon, wirkte sich das auf andere aus. Gleichgültig, wie viel eine Person vorhersehen konnte, kein einzelnes Individuum konnte die gesamte Zukunft erfassen.
Nur das Wort konnte es wissen, und sogar das Wort war der Menschheit nicht als Wahrheit gegeben.
Er setzte die Suche fort, die Zeit verstrich, die Minuten verwelkten eine nach der anderen wie Blätter an einem herbstlichen Baum. Trotz seiner eifrigen Suche konnte er die Bibliothek nicht finden. Er durchstreifte Castledown von oben bis unten, alle großen Kammern und langen Gänge, und dennoch entdeckte er keine Bücher. Langsam ermüdete er, und er wusste, viel länger würde er seine Schattenform nicht mehr aufrechterhalten können. Aber er musste erfahren, wo die Bücher waren, damit er sie sich von dort holen konnte, nachdem er in seinen Körper zurückgekehrt war. Denn wenn er sich erst von Antrax gelöst hätte, wäre jeder Versuch, die Bücher zu finden, zum Scheitern verurteilt. Antrax würde bemerken, was vor sich ging, und dann bliebe gerade noch genug Zeit zur Flucht. Daher musste er die Bücher schnell entdecken und entscheiden, wie er zu ihnen kommen konnte.
Am Ende griff er auf einen einfachen Kniff zurück, um das Problem zu lösen. Er versetzte sich in die Gedanken der Männer und Frauen, die Castledown erbaut und Antrax erschaffen hatten; wo, so fragte er sich, hätten sie wohl ihren Schatz verborgen? Die Antwort war nicht so schwierig. Die Bücher würden sich an dem Ort befinden, wo die Verteidigungsanlagen am stärksten und ausgefeiltesten waren, aber möglichst wenig Schaden anrichteten, falls ein Eindringling dorthin gelangte. An der Oberfläche von Castledown waren die Waffen gnadenlos. Was oder wer auch immer eindrang, wurde ohne Unterschied niedergemetzelt. Unter der Oberfläche, wo sich die Bücher
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