Shannara VIII
Sorgen um die Männer und Frauen, die hinaus in dieses heimtückische Land gezogen waren. Sie waren überall verstreut, die meisten vermutlich verschollen oder gar tot, und er hatte keine Ahnung, wie er sie alle einsammeln sollte. Und zudem stellte er sich ständig die Frage, was wohl seiner Schwester zugestoßen sein mochte.
»Hast du das Problem mit dem vorderen Backbordkristall gelöst?«, erkundigte er sich, beobachtete die Nebelbank und bildete sich noch immer ein, er habe etwas darin gesehen.
Der stämmige Schiffsbauer zuckte mit den Schultern. »Ohne einen neuen Kristall gibt es da nichts zu lösen, und den haben wir nicht. Den Ersatz haben wir während des Sturms im Kanal verloren. Es muss ohne ihn gehen.«
»Nun, ist ja nicht das erste Mal.« Er beugte sich vor, legte die Hände auf die Reling und starrte in den Nebel. »Schau dir das doch mal genau an, Schwarzbart. Siehst du etwas? Da, vielleicht fünfzehn Grad…«
Er sollte den Satz nie beenden. Denn zuvor tauchte eine Reihe dunkler Schemen aus der Dämmerung auf. Sie flogen aus dem Nebel heraus wie ein Schwarm Würger oder Rocks, und ihre Silhouetten zeichneten sich vor der blutrot gestreiften Nebelmauer ab. Wie viele waren es? Fünf, sechs? Nein, Alt Mer berichtigte sich sofort. Ein Dutzend, vielleicht mehr. Rasch zählte er nach, und die Kehle schnürte sich ihm zusammen. Wenigstens zwei Dutzend. Und sie waren groß, zu groß für Rocks. Außerdem hatten sie keine Flügel.
Er hielt den Atem an. Das waren Luftschiffe. Eine ganze Flotte kam da aus dem Nichts heran. Er schaute zu, wie sie Gestalt annahmen, wie sich Masten und Segel und dunkle Rümpfe abzeichneten, wie metallene Halterungen und Klampen aufblitzten. Kriegsschiffe. Er nahm das Fernglas zur Hand und betrachtete sie genau. Es gab keine Wappen auf Flaggen und Wimpeln, keine Hoheitsabzeichen auf Rümpfen und Schandecks. Redden Alt Mer beobachtete, wie sie aus dem Nebel kamen, fünfzehn Grad nach links schwenkten und am Horizont eine Linie bildeten. Die schwarzen Schatten nahmen Formation ein und näherten sich.
Redden Alt Mer setzte das Fernglas ab und holte tief Luft.
Sie flogen geradewegs auf die Jerle Shannara zu.
Hier endet das zweite Buch über die Reise der Jerle Shannara. Im nächsten Band der Serie wird sich die Ilse-Hexe endlich der Wahrheit stellen müssen, während die Überlebenden aus den Ruinen von Castledown die lange Heimreise antreten.
Die Offenbarung
von Shannara
Kapitel 30
Die finstere Gestalt tauchte so unvermittelt aus dem düsteren Alkoven auf, dass Sen Dunsidan beinahe mit ihr zusammengeprallt wäre. Im Gang vor seinem Schlafzimmer war es mit Einbruch der Nacht dunkel geworden, und die Wandlampen erhellten nur eng begrenzte kleine Bereiche. Die Lampen konnten dem Verteidigungsminister in diesem Fall auch nicht helfen, und er hatte weder die Chance, sich zu verteidigen noch zu fliehen.
»Auf ein Wort, wenn es Euch beliebt, Minister.«
Der Eindringling trug Mantel und Kapuze, und obwohl Sen Dunsidan im ersten Augenblick an die Ilse-Hexe denken musste, wusste er gleichzeitig, dass sie es nicht war. Bei diesem Besucher handelte es sich um einen Mann, keine Frau - dazu war er zu groß und zu stämmig, und auch die Stimme klang maskulin. Die Hexe dagegen hatte eine kleine, schlanke Figur und eine kühle, sanfte Stimme. Sie war erst vor einer Woche bei ihm erschienen, ehe sie aufgebrochen war, um an Bord der Schwarzen Moclips den Druiden Walker und seine Begleiter zu einem unbekannten Ziel zu verfolgen. Und jetzt erschien dieser Eindringling in gleichem Mantel und gleicher Kapuze und auf dieselbe Weise wie sie - zu nachtschlafender Zeit und unangekündigt. Sofort drängte sich ihm die Frage auf, welche Verbindung zwischen ihnen bestand.
Sen Dunsidan überspielte seine Überraschung sowie die Angst, die ihm die Kehle zusammenschnürte, und nickte. »Und wo möchtet Ihr dieses Wort mit mir wechseln?«
»Euer Schlafgemach wäre recht.«
Obwohl selbst hochgewachsen und noch dazu im besten Mannesalter, fühlte sich der Verteidigungsminister vor dem uneingeladenen Besucher dennoch wie ein Zwerg. Dabei gab gar nicht einmal die Größe unbedingt den Ausschlag, es war vielmehr die gesamte Erscheinung. Der Eindringling strahlte eine Kraft und Zuversicht aus, wie man sie bei gewöhnlichen Menschen selten findet. Sen Dunsidan fragte gar nicht erst, wie es dem Fremden gelungen war, auf das streng bewachte Gelände innerhalb der Mauern vorzudringen. Er fragte
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