Shannara VIII
auch nicht, wie der Mann es bis hier oben zu seinen Gemächern geschafft hatte, ohne von den Wachen aufgehalten zu werden. Solcherlei Fragen waren sinnlos. Also akzeptierte er einfach die Tatsache, dass der späte Besucher zu solchen und vermutlich noch zu ganz anderen Dingen fähig war. Dementsprechend verneigte er sich ehrerbietig, öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer und bat den Fremden hinein.
Dort brannten Lichter, wenn auch kaum heller als auf dem Gang draußen, und der Eindringling zog sich augenblicklich in die Schatten zurück.
»Setzt Euch, Minister, und ich werde Euch verraten, weshalb ich hier bin.«
Sen Dunsidan setzte sich auf einen Stuhl mit hoher Lehne und schlug bequem die Beine übereinander. Seine Angst und seine Überraschung hatten sich verflüchtigt. Falls der andere ihm etwas antun wollte, hätte er es ohne dieses Vorspiel längst hinter sich bringen können. Der Besucher wollte etwas, das ihm der Verteidigungsminister des Koalitionsrates der Föderation verschaffen konnte, und daher brauchte sich der Minister keine Sorgen zu machen. Zunächst einmal jedenfalls nicht. Das könnte sich ändern, wenn er nicht mit den richtigen Antworten dienen konnte. Aber Sen Dunsidan war ein Meister darin, anderen zu erzählen, was sie gern hörten.
»Ein kühles Bier?«, fragte er.
»Bedient Euch ruhig, Minister.«
Sen Dunsidan zögerte, der Nachdruck im Tonfall seines Gegenübers irritierte ihn. Dann erhob er sich und ging zu dem Tisch neben seinem Bett, auf dem in einer Schale mit Eis ein Bierkrug und daneben mehrere Gläser standen. Er betrachtete das Bier, während er einschenkte. Sein langes silbernes Haar hing ihm locker über die Schultern, nur an der Stelle nicht, wo es über den Ohren nach der gegenwärtigen Mode geflochten war. Ihm behagte es nicht, wie er sich jetzt fühlte, denn allzu rasch trat Unsicherheit an die Stelle des gerade erst wiedergefundenen Selbstvertrauens. Bei diesem Mann sollte er gut aufpassen und Umsicht walten lassen.
Er kehrte zu seinem Stuhl zurück, setzte sich und nippte an seinem Bier. Dann wandte er das Gesicht dem anderen zu, einer in der Dunkelheit fast unsichtbaren Erscheinung.
»Ich muss Euch um etwas bitten«, sagte der Eindringling leise.
Sen Dunsidan nickte und machte mit einer Hand eine weitschweifige Geste.
Der Eindringling bewegte sich leicht. »Seid gewarnt, Minister. Glaubt nicht, Ihr könntet mich mit Versprechungen hinhalten, die Ihr nicht einzulösen gedenkt. Ich bin nicht hier, um meine Zeit mit einem Narren zu verschwenden, der meint, er könne mich mit leeren Worten fortschicken. Wenn ich merke, dass Ihr mich täuschen wollt, werde ich Euch einfach umbringen. Habt Ihr verstanden?«
Sen Dunsidan holte erst einmal tief Luft. »Ich habe verstanden.«
Der andere erwiderte einen Augenblick lang nichts, dann trat er aus dem tiefen Schatten an den Rand des Lichts. »Ich bin der Morgawr. Und der Mentor der Ilse-Hexe.«
»Aha.« Der Verteidigungsminister nickte. Somit hatte er sich also nicht getäuscht, was die Ähnlichkeit der Erscheinungen betraf.
Die verhüllte Gestalt rückte noch näher. »Ihr und ich werden eine Partnerschaft eingehen, Minister. Eine neue Partnerschaft, welche die Eure mit meiner Schülerin ablösen wird. Sie braucht Euch nicht mehr und wird Euch nicht wieder aufsuchen. Ich hingegen schon. Oft.«
»Weiß sie darüber Bescheid?«, fragte Dunsidan leise.
»Sie weiß es schon viel besser, als sie denkt.« Die Stimme des Besuchers klang tief und hart. »Da sie sich entschlossen hat, mich zu hintergehen, werde ich sie für ihre Untreue bestrafen. Darum kümmere ich mich, wenn ich ihr das nächste Mal begegne. Euch betrifft das jedoch nicht, allerdings kennt Ihr jetzt den Grund, warum Ihr sie nicht mehr sehen werdet. Über all diese Jahre hinweg war ich die treibende Kraft hinter ihren Anstrengungen. Ich war es, der ihr die Macht verlieh, Bündnisse wie jenes mit Euch zu schmieden. Doch sie hat mein Vertrauen missbraucht und somit meinen Schutz verwirkt. Für mich ist sie nicht mehr von Nutzen.«
Sen Dunsidan trank einen großen Schluck Bier und stellte das Glas dann zur Seite. »Ihr werdet mir verzeihen, Sir, wenn ich eine kritische Anmerkung mache. Ich kenne Euch nicht, sie kenne ich hingegen schon. Daher weiß ich auch, wozu sie in der Lage ist. Und ich weiß, was demjenigen geschieht, der Verrat an ihr begeht, und zu denen möchte ich lieber nicht gehören.«
»Vielleicht solltet Ihr
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