Shannara VIII
waren. Quentin konnte ungefähr die Stelle ausmachen, wo er gestanden hatte. Von jenen, mit denen und vor denen er geflohen war, fand sich keine Spur.
Zunächst einmal suchte er nach Ess- und Trinkbarem, wobei er Letzteres nicht weit von seiner Schlafstelle entfernt fand, jedoch leider überhaupt nichts von Ersterem. Obwohl er mit dem Leben im Wald vertraut war, trieb er nichts Genießbares auf, so hoch in den Bergen. Also gab er es auf, stieg wieder auf die Geröllhalde und machte sich stattdessen auf die Suche nach dem Schwert. Er hatte keine Ahnung, wo er damit anfangen sollte, daher lief er den ganzen Morgen wie benommen herum. Der Bergrutsch dehnte sich fast eine halbe Meile aus, an manchen Stellen war er über dreißig Meter tief. Es war schon ein Ding der Unmöglichkeit, dass er überlebt hatte und nicht zermalmt worden war. Deshalb redete er sich ein, dass seine Rettung eine besondere Bedeutung habe, dass er nicht in diesem fremden Land sterben solle und seine Heimat im Hochland wieder sehen werde.
Zur Mittagszeit brannte die Sonne vom Himmel herab, und das Tal dampfte. Inzwischen halluzinierte er, sah Bewegungen, wo es keine gab, hörte wispernde Stimmen und spürte die Gegenwart von Geistern. Er kehrte zu den Bäumen zurück, trank aus dem Bach und legte sich zur Ruhe. Mehrere Stunden später setzte er die Suche fiebernd und mit starken Schmerzen im Körper fort.
Diesmal nahmen die Geister erkennbare Gestalt an. Während er durch die Felsen trottete, erwarteten sie ihn an jeder Ecke. Zuerst Tamis, die sich genesen und wiederhergestellt aus dem Boden erhob, das kurze Haar aus dem kühlen Gesicht geschoben hatte und ihn zweifelnd anstarrte. Er sagte ihren Namen, doch sie antwortete nicht. Sie betrachtete ihn nur einen Augenblick, als wolle sie die Ernsthaftigkeit seiner Bestrebungen abschätzen. Dann verblasste sie im Flimmern der Mittagshitze und verschwand im Chaos der Vergangenheit.
Ard Patrinell war der Nächste, er schob sich als in Metall gehüllter Wronk aus dem Dunst, ein Mensch, der sich in etwas verwandelt hatte, das nur noch teilweise an einen Menschen erinnerte. Er starrte Quentin an, flehte mit verzweifeltem Blick, von seinem Schicksal befreit zu werden, obwohl er im gleichen Moment die Waffen hob, um den Hochländer aufzuspießen. Natürlich wusste Quentin, dass die Trugbilder nicht real waren, und dennoch zuckte er zusammen. Worte lösten sich von den Lippen des Hauptmanns der Leibgarde, doch hinter dem glasartigen Gesichtsschild waren sie unhörbar und so substanzlos wie der Geist selbst.
Die Erscheinung schimmerte und verschwamm, und Quentin fiel auf die Knie und schloss die Augen, um Kopf und Verstand klar zu bekommen. Als er wieder aufschaute, war Ard Patrinell verschwunden.
Beide tot, dachte er bei sich, Tamis und ihr Geliebter, Geister, verloren in der Zeit, lediglich Erinnerungen, die niemals wieder irgendeine feste Gestalt annehmen würden. Quentin fühlte sich zu ihnen hingezogen, fühlte sich weniger wie ein Teil seiner Umgebung, sondern irgendwie geisterhaft. Er löste sich in der Hitze auf, in seinen Phantasien, und er brauchte dringend Ruhe und Essen und etwas Festes, das ihm Halt gab. Eine Chance. Eine Perspektive.
Weder das eine noch das andere trat in Erscheinung, und so stolperte er über die Geröllhalde, die der Bergrutsch hinterlassen hatte und die keine Spur von seinem verschollenen Talisman preisgab. Er würde das Schwert nicht finden, dessen war er gewiss. Das alles war reine Zeitverschwendung. Genauso gut könnte er diesen Ort endlich verlassen und weiterziehen. Aber wohin? Er hatte jetzt kein Ziel mehr, allein und verirrt, wie er war. Gab es da möglicherweise eine andere Bestimmung für ihn?
Seine Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit, ins Hochland, wo er seine sorglose Jugend verbracht hatte, und er dachte an die Zeiten, in denen er mit Bek zur Jagd und zum Angeln und auf Kundschaft gegangen war. Er konnte das Gesicht seines Vetters in der Luft sehen, körperlos zwar, aber immerhin Bek. Wo war er wohl jetzt? Was war ihm seit dem Hinterhalt in den Ruinen von Castledown widerfahren? Er hatte noch gelebt, als Tamis ihn zuletzt gesehen hatte, aber seitdem war er verschollen. Bek war ebenso sehr ein Geist wie die Fährtenleserin und Patrinell.
Aber er lebt, daran glaubte Quentin Leah felsenfest. Wenn auch vermisst und verschollen, so lebte Bek wenigstens noch!
Plötzlich bemerkte er, dass er auf den Knien hockte, das Gesicht in den
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