Shannara VIII
mehr lange warten müssen.
Seinen Mantel hatte er verloren, daher schützte ihn nichts vor der Kälte. Er zitterte heftig und fürchtete zu erfrieren, ehe er einen geeigneten Lagerplatz entdeckt hätte. Durch die langen Jahre im Hochland war er abgehärtet, allerdings hatte auch sein Durchhaltevermögen Grenzen. Die Arme um sich geschlungen, wankte er durch Schnee und Graupel und Kälte und versuchte, Körper und Geist zusammenzuhalten, denn schließlich musste er ja weiter.
Auf dem Pass wartete etwas auf ihn.
Zunächst war er nicht einmal sicher, ob das, was er sah, real war.
Es war groß und Angst einflößend und im Sturm nur vage und undeutlich von den Felsen zu unterscheiden. Zwar hatte es im Großen und Ganzen die Gestalt eines Menschen, jedoch wirkten Glieder und Körper irgendwie unpassend, da die Proportionen nicht stimmten. Das Wesen trat ihm gleich entgegen, als er den Pass erreichte, und geriet in eine Windböe, die ihm die Kleider vom Leib zu reißen drohte. Quentin beobachtete es, wie es durch einen Schleier aus Schnee ging und plötzlich verschwand. Er bewegte sich darauf zu, wurde intensiv von ihm angezogen, gleichzeitig neugierig und vorsichtig. Aber schließlich hatte er ja das Schwert und war daher gut gewappnet.
Die Gestalt erschien erneut, näher bei ihm nun, wartete einen Augenblick auf ihn und verschwand wieder.
Dieses Versteckspiel setzte sich durch den ganzen Pass fort und auch auf der anderen Seite, wo die Berghänge dicht mit Koniferen bewachsen waren, welche die Wucht des Orkans abmilderten. Er hatte den Berg, von dem er gestürzt war, hinter sich gelassen und begann nun mit dem Aufstieg zum benachbarten. Dem schmalen Weg zu folgen war schwierig, doch die Erscheinung dieses Geistes half ihm. Inzwischen war er überzeugt, dass er geführt wurde, und weil der Geist ihn bislang nicht bedroht hatte und ihm nichts antun zu wollen schien, machte er sich keine Sorgen.
Lange Zeit kletterte er und folgte einem verschlungenen Weg um den Berg, der sich durch ausgedehnte alte Wäldchen zog, über große Lichtungen, auf denen Piniennadeln lagen, die Schnee bedeckte, und über felsige Hügel, die vom feuchten Moos rutschig waren. Das Wüten des Sturms hatte nachgelassen. Zwar schneite es weiterhin, doch der Wind blies ihm die Flocken nicht mehr wie Nadeln ins Gesicht, und die Kälte war nicht mehr so durchdringend. Vor ihm nahm die Gestalt eine deutlichere Form an und wurde beinahe erkennbar. Irgendwo hatte Quentin sie schon einmal gesehen, wie sie sich auf die gleiche Weise bewegte, ein Gespenst der Wälder von einem anderen Ort, aus einer anderen Zeit. Sein Verstand war jedoch zu erschöpft, und er konnte die Erinnerung nicht einordnen.
Nicht mehr weit, redete er sich ein. Nicht mehr weit. Er setzte einen Fuß vor den anderen, und während sein Blick zwischen dem Boden und dem wirbelnden Weiß vor sich und zwischen seinen eigenen Bewegungen und denen des Geistes hin und her schweifte, trabte er weiter.
»Hilfe«, rief er irgendwann, erhielt aber keine Antwort.
Nicht mehr weit, redete er sich ein. Einfach nur durchhalten.
Doch seine Kräfte ließen nach.
Mehrmals stürzte er, weil seine Beine unter ihm nachgaben. Jedes Mal kämpfte er sich sofort wieder hoch, ohne sich auszuruhen, denn er wusste, wenn er jetzt liegen blieb, war er erledigt. Der Tag würde Licht und Wärme bringen und seine Chancen vergrößern, den Schlaf zu überleben. Hier und jetzt durfte er es nicht wagen.
Auf einer Lichtung, die zu einem Zedernwäldchen führte, wurde er langsamer und blieb stehen. Er spürte, wie er seinen Körper verließ und einem Schatten gleich in die Nacht aufstieg. Er war am Ende. Vollkommen.
Dann verwandelte sich die dunkle Gestalt vor ihm plötzlich, aus einer wurden zwei, die kleiner und weniger bedrohlich wirkten. Aus der Nacht kamen sie auf ihn zu, Hand in Hand, und gingen genau in seine Richtung - wie hatten sie bloß diesen Weg über den Pass hinter sich gebracht? Er starrte die Gestalten ungläubig an und zweifelte erneut, ob er es mit der Realität zu tun hatte oder einer Täuschung unterlag.
Die Neuankömmlinge zögerten ebenfalls, als sie ihn bemerkten. Er bewegte sich auf sie zu, spähte durch den Schneeschleier, und durch Raum und Zeit und Halluzinationen, durch Erschöpfung und die wachsende Gewissheit, die beiden zu erkennen, bis er endlich nahe genug war und sicher sein durfte, was er sah.
Seine Stimme war heiser und rau, als er die eine der
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