Shannara VIII
Zeit verschwendet, ihm sofort seinen Mantel übergezogen und für sie alle einen Unterschlupf gesucht. Das Feuer und das Bier hatten Quentin zu sich gebracht, und in den letzten Stunden hatten sie einander berichtet, was ihnen seit dem Hinterhalt in den Ruinen von Castledown passiert war. Sie hatten es dabei nicht eilig, ließen sich Zeit und gaben sich damit auch Gelegenheit, die Tatsache zu verdauen, dass der unwahrscheinlichste Fall eingetreten war und sie einander wiedergefunden hatten.
»Ich habe nie geglaubt, dass du tot bist«, sagte Bek zu seinem Vetter und brach das kurze Schweigen. »Das habe ich mir nicht vorstellen können.«
Quentin grinste, ein Anflug des alten großspurigen Lächelns, das so typisch für ihn war. »Ich auch nicht, was dich betrifft. Nachdem Tamis mir erzählt hatte, ihr wäret außerhalb der Ruinen getrennt worden, war ich mir sicher, dass du am Leben warst. Aber diese Geschichte mit deiner Magie kann ich immer noch nicht fassen. Bist du sicher ein richtiger Ohmsford?«
»So sicher wie es nur möglich ist, nachdem ich mir sämtliche Geschichten von Walker angehört hatte.« Bek lehnte sich auf die Ellbogen zurück und seufzte. »Eigentlich habe ich es am Anfang selbst nicht geglaubt. Aber nach der ersten Konfrontation mit Grianne spürte ich, wie die Magie in mir zum Leben erwachte und hervorbrach, und da hatte ich keine Zweifel mehr.«
»Also ist sie deine Schwester.«
Bek nickte. »Ja, Quentin.«
Der Hochländer schüttelte langsam den Kopf. »Nun, das hätten wir uns nie träumen lassen, als wir zu dieser Reise aufgebrochen sind. Und was wirst du nun mit ihr anstellen?«
»Sie nach Hause bringen«, antwortete Bek. »Sie beschützen.« Er sah Grianne einen Augenblick lang an. »Sie ist wichtig, Quentin. Nicht nur, weil sie meine Schwester ist. Ich weiß nicht, aus welchem Grund, es ist einfach so. Walker hat es gesagt, als er im Sterben lag, und später nochmals, bei seiner Rückkehr als Schatten. Er weiß etwas über sie, das er mir nicht verraten will.«
»Er hebt sich eine große Überraschung auf.«
Bek lächelte. »Na ja, für Walker sind Geheimnisse nichts Ungewöhnliches, oder? Vielleicht gibt es keine Überraschungen mehr für dich und mich. Keine richtigen, meine ich.«
Quentin blies in die Luft, und das weiße Wölkchen seines Atems trieb in die kalte Nacht. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Erst kürzlich habe ich den Glauben an Überraschungen verloren, und dann habe ich plötzlich dich gefunden. Man weiß nie.« Er zögerte kurz. »Welche Chancen bestehen, dass jemand von den anderen überlebt hat? Sind sie alle tot wie Walker und Patrinell?«
Zuerst antwortete Bek nicht. Die Elfen waren vermutlich allesamt tot, außer Kian und vielleicht Ahren Elessedil. Ryer Ord Star könnte noch am Leben sein. Die Flugreiter waren sicherlich irgendwo dort draußen. Und natürlich durfte man die Fahrenden nicht vergessen.
»Wir haben die Jerle Shannara gesehen. Sie flog in die Berge«, meinte Bek. »Möglicherweise suchen die Fahrenden weiter nach uns.«
Quentin sah ihn scharf an. »Möglicherweise. Aber mal ehrlich, wenn du an Redden Alt Mers Stelle wärest, was würdest du tun - nach uns suchen oder auf geradem Wege dorthin zurückfliegen, von wo du gekommen bist?«
Darüber dachte Bek einen Moment nach. »Ich glaube, Rue Meridian wird uns nicht im Stich lassen. Sie wird ihren Bruder schon überzeugen.«
Sein Vetter schnaubte. »Wie lange? Sie werden von diesen Mwellrets mit ihren Schiffen gejagt und sind zwanzig zu eins unterlegen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir sollten das Ganze realistisch betrachten. Sie haben keinen Grund anzunehmen, dass wir noch leben. Außerdem sind sie selbst schon einmal in Gefangenschaft geraten; nach einer Wiederholung steht ihnen sicherlich nicht der Sinn. Sie wären Narren, wenn sie nicht fliehen würden. Und ich kann es ihnen nicht mal verdenken. Ich würde genauso handeln.«
»Sie werden nach uns suchen«, beharrte Bek.
Quentin lachte. »Vetter Bek, ich werde mich hüten, dir das ausreden zu wollen. Trotzdem seltsam. Eigentlich war ich doch immer der Optimist.«
»Die Dinge ändern sich.«
»Dagegen lässt sich wohl kaum etwas einwenden.« Der Hochländer schaute in den rieselnden Schnee und machte eine vage Geste. »Ich sollte auf dich aufpassen, schon vergessen? Besonders gut ist mir das nicht gelungen. Zuerst habe ich zugelassen, dass wir getrennt wurden, und dann bin ich in eine andere
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